Leseprobe

156 S O »[...] in farbigem Gewölk explosiven Blütenstaubs, das symphonisch über weite Himmel dahinweht und kreisend wie Gestirne leuchtet«,1 demonstrierte Otto Greis mit dem Blauen Aufbruch den Einsatz der reinen Farbmaterie, die gleichsam wie »kosmische Gewalt«2 einschlug. Losgelöst von jeder darstellenden Funktion symbolisiert die Farbe hier den Vorgang eines dynamischen Aufbruchs in eine neue Malerei, die mit allem Bisherigen gebrochen hatte. Berücksichtigt man den damaligen Zeithintergrund – alle vier der Quadriga-Künstler waren als Soldaten im Krieg, Frankfurt bzw. Deutschland war zu großen Teilen noch zerstört –, gewinnt dieser Titel eines neuen Konzepts einer Malerei umso mehr an Bedeutung: Diese informelle Malerei war ohne Struktur und Form, wie die zerstörte Gegenwart, und von dem überlieferten klassischen Formprinzip hatte man sich in einer Art Befreiungsakt schrittweise gelöst. »Für mich war das Informel eine Notwendigkeit, die Vergangenheit wegzuschlagen«, so Otto Greis rückblickend.3 Die Farbe hatte sich von ihren traditionellen Aufgaben in diesem Prozess emanzipiert. Sie charakterisierte keine Natur mehr, wie in den wenige Jahre vorher entstandenen Baumlandschaften von Greis (Kat.-Nrn. 10–14), Perspektive bzw. eine Raumtiefe wurde nun allein durch die vor- bzw. zurücktretenden Wirkungen der einzelnen Farben erzeugt. Wobei die Farbigkeit bei den 1952 in der Quadriga-Ausstellung gezeigten Gemälden sehr zurückhaltend war. Es dominierten bei Greis und Schultze vor allem dunkle, sehr erdige Schwarz-, Grau- und Ockertöne, die an Gesteinsstrukturen erinnerten. Einzelne Grundfarben wie Rot und Blau wurden sehr sparsam eingesetzt und leuchteten umso mehr aus den dunklen Farbschichten heraus. Karl Otto Götz beschränkte sich bei seiner Konzentration auf einen schnellen Bewegungsduktus, bei seinen letzten Ölbildern sogar ganz auf monochrome Töne (Kat.-Nrn. 40–­ 42). Nur Kreutz bildete mit seinen leuchtenden planetarischen Landschaften eine Ausnahme (vgl. Abb. 1). Abb. 1 Heinz Kreutz | Planetare Landschaft, 1952, Öl auf Leinwand, 90,6 × 115,4 cm, Städel Museum, Inv.-Nr. LG 67 (Dauerleihgabe aus Privatbesitz)

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