Leseprobe

157 Dieses Konzept eines sehr gezielten, aber sparsamen Einsatzes der Farbe unter der Verwendung nur weniger Primär- und Sekundärfarben behielten Greis und Götz bei (vgl. etwa Kat.-Nrn. 54, 55 und 62–64). Der Farbauftrag wird dabei immer mehr radikalisiert, so etwa von Greis reliefartig aufgetragen und zerkratzt, sodass die Oberflächen fast wie aufgerissene Wunden wirken (Kat.-Nrn. 61 und 93). Götz schleuderte in seinem schnellen Malakt die Farbmaterie auf die Leinwand, zerquetschte sie mit übergroßen Pinseln, mischte sie, um sie dann wieder von Neuem in einem Farbwirbel explodieren zu lassen (Kat.-Nr. 64). Charakteristisch sind dabei starke Hell-Dunkel-Kontraste und das Spiel mit Negativformen.4 Schultze entwickelte seine vegetativ anmutenden Landschaften weiter und malte die Farbe nicht mehr auf, sondern goss diese über die auf die Leinwand eingeklebten oder montierten Drähte, Holzteile oder Stroh. Durch diesen Vorgang entstanden zufällige Farblachen und -täler. Der Trocknungsprozess riss diese Oberfläche auf und schuf neue Strukturen und Reliefierungen: Die Malfläche wurde zum Farbrelief.5 Zugleich wuchsen seine Gemälde hinein in die Dreidimensionalität (Kat.-Nrn. 91, 92 und 95). Kreutz war bereits bei der Quadriga-Ausstellung derjenige, der die buntesten Farben mit den stärksten Kontrasten verwendete. Darauf aufbauend entwickelte er sein Farbkonzept weiter, bei dem diese zum alleinigen Ausdrucksmittel wird.6 Demnach sollen durch ihre Gruppierungen und Ordnungen Klänge und Räume evoziert werden (Kat.-Nrn. 57 und 58). Kreutz beschäftigte sich immer wieder intensiv mit Goethes Farbenlehre und anderen Farbtheorien und verfasste seine eigene Farbenlehre, in welcher er ein räumliches Farbmodell entwickelte (1955–1965).7 Neben dem Ziel aller vier, sich von den klassischen Prinzipien von Form und Komposition abzusetzen, war es vor allem auch der radikale Malakt und damit einhergehend die unkonventionelle Farbverwendung, die das deutsche Informel der Quadriga so einzigartig machte und bisherige Bildgrenzen erweiterte. 1 Godo Remszhardt, Quadriga malerische Avantgarde, in: Frankfurter Rundschau, 30. 12. 1952, zit. nach: M. de la Motte (1976), S. 31. 2 Ebd. 3 Ausst.-Kat. Ludwigshafen (1996), S. 10. 4 U. Geiger (1987), S. 158; Rissa (2004), S. 40. 5 M. Schieder (2005), S. 270; J. Mattern (2015), S. 54. 6 »In meiner Arbeit benutze ich einzig und allein Farbe als künstlerisches Gestaltungsmittel.« Heinz Kreutz, Zu meinen Bildern, Katalogvorwort der Ausstellung der Galerie Heseler, München (23.3.– 6. 5. 1972), zit. nach: U. Geiger (1987), S. 124. 7 U. Geiger (1987), S. 155–156.

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