201 Dem gegenüber steht das Vorgehen Bernard Schultzes. Er beschrieb seinen Malprozess folgendermaßen: »Sich treiben lassen, wohin das Bild will, soviel wie möglich dem Zufall überlassen, sowenig wie möglich Kontrolle [...]«5. Teils von mehreren Punkten ausgehend, tastete er sich über den Bildträger voran, drehte ihn mitunter mehrfach und ließ die Farbformen spontan entstehen. Das Ergebnis sind labyrinthische Bildwelten aus selbstangerührter Farbmasse und Farbbrei, die teils mit den Händen aufgetragen, teils mit skripturalen und später mit plastischen Elementen versehen wurden (Kat.-Nrn. 91, 92, 94 und 95). Inspiriert von surrealistischen Methoden und dem Ausschalten der Ratio, wurden für Schultze das traumhaft Deutende, das nicht endende Suchen und Erkennen bis ins Spätwerk hinein bestehende Eigenschaften des malerischen Prozesses und der Bildbetrachtung.6 Während für Schultze die freie Entfaltung der Farbformen zentral war, betonte Otto Greis stets, dass der Zufall für ihn nur als eine »fruchtbare Störung«7 fungierte. Ab 1952 nutzte Greis den ungeformten Farbfleck als Ausgangspunkt der Bildentstehung. Er bildete die Grundlage zur Verdichtung und Neustrukturierung, wobei Greis während des Malprozesses auf zufällig entstandene Zerstörungsprozesse und Überschneidungen der Farbformen reagierte und sie gestalterisch einsetzte (z. B. Kat.-Nrn. 87 und 90).8 Seine Malweise entsprach demnach wortwörtlich der Bezeichnung »tachistisch«, abgeleitet vom französischen »la tache« (dt. der Fleck). Gleiches gilt für Heinz Kreutz, der sich auf das gestalterische Mittel der Farbe konzentrierte. Die Wirkungsweisen von Farbbeziehungen, ihre Harmonien und Kontraste untersuchte er in seinen informellen Bildern durch die Auflösung klar umrissener Formen (z. B. Kat.-Nrn. 67 und 69).9 Die beiden Pole, Spontaneität und Reflexion, galten den Künstlern mit unterschiedlicher Gewichtung als zentrale Eigenschaften der malerischen Prozesse. In ihnen veranschaulicht sich Jürgen Claus’ Bestimmung des Informel, das »in seinen Spannungen, seinen Antinomien zu sehen« ist, »als Nicht-Form und als Möglichkeit oder Offenheit zur Strukturierung«.10 1 K. O. Götz (1983), S. 515. 2 K. O. Götz (1983), S. 515. 3 K. O. Götz (1959), o. S. 4 M. Klant/C. Zuschlag (1994), S. 58 f. 5 Ausst.-Kat. Köln/Bologna/Budapest/Antwerpen (1994), S. 9. 6 Vgl. E. Müller-Remmert (2012), S. 15; M. Klant/C. Zuschlag (1995), hier S. 7, 12 f. 7 U. Geiger (1994), S. 75. 8 U. Geiger (1994), S. 46 f. 9 U. Geiger (1994), S. 145. 10 J. Claus (1965), S. 27.
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