Zu den spannendsten Fragen bei einem individuell geplanten Haus gehört die nach dem Verhältnis zwischen Architekt und Bauherr. Wie kamen beide zueinander? Kannten sie sich bereits vorher? Welche Freiräume hatte der Architekt bei seinem Entwurf? Grete Ring war über die Galerie Cassirer jedenfalls ganz sicher mit den aktuellen Entwicklungen im Bereich der Avantgardearchitektur vertraut. Im Dezember 1919 präsentierte Paul Cassirer den bis dahin weitgehend unbekannten Architekten Erich Mendelsohn mit Entwürfen und Zeichnungen in seiner Ausstellung Architektur in Eisen und Beton.14 Der visionäre Charakter dieser avantgardistischen Architekturausstellung in einer Kunsthandlung wurde von der zeitgenössischen Kritik zunächst nicht erkannt, Karl Scheffler sprach sogar davon, dass man im Salon Paul Cassirer wohl die Orientierung verloren habe. Daher dürfte dieses solitäre Ereignis noch präsent gewesen sein, als Grete Ring 1921 zu Cassirer kam.15 Warum knüpfte sie nicht an diese Verbindungen an, sondern entschied sich für Wilhelm Büning? Durch Marianne Breslauer ist überliefert, Architekt und Bauherrin seien befreundet gewesen.16 Aber begann diese Freundschaft erst mit dem Projekt oder bestand sie schon vorher? Ein Hinweis auf eine bereits lange zurückreichende freundschaftliche Beziehung zu Büning findet sich in einem Brief von Grete Rings Onkel Max Liebermann, der in Weimar zusammen mit dem heute vergessenen Kunstmaler Otto Piltz studiert hatte, den er als »alten Freund«17 bezeichnete. Der bereits 1910 verstorbene Piltz hatte eine Tochter, Marie, die 1908 den Architekten Wilhelm Büning heiratete. Sie war nur vier Jahre älter als Grete Ring (vgl. Abb. 2).
RkJQdWJsaXNoZXIy MTMyNjA1