39 handlich, dadurch gut zu transportieren und fixierten die flüchtigen Eindrücke auf ein visuelles Bild. Reisende hatten so eine bleibende Erinnerung, und Daheimgebliebene erhielten einen Eindruck von dem fernen Land, das sie selbst nicht sahen. Die teils kunstvoll kolorierten Fotografien konnten direkt bei der Ankunft im Hafen von Yokohama erworben werden. Bemerkenswert ist, dass die Bilder tatsächlich vor Beginn der eigentlichen Rundreise begutachtet wurden. Auf diese Weise konnten sich Tourist_innen bereits vorab einen Überblick über die Sehenswürdigkeiten verschaffen.5 Neben der Funktion als Reisesouvenir fungierten die Fotografien also auch als eine Art Reiseführer. Betrachtet man die Fotografien näher, so fällt auf, dass sie ausschließlich das »alte« Japan, wie es schon lange nicht mehr existierte, zeigen. Die Fotoaufnahmen der Samurai mussten beispielsweise nachgestellt werden, existierte der Kriegeradel zu der Zeit doch schon gar nicht mehr (S. 82, Abb.15; S. 85, Abb. 22). Spuren der Modernisierung und Verwestlichung sind äußerst selten zu finden. Lediglich einzelne Telegrafenmasten, die nicht aus den Straßenansichten wegretuschiert werden konnten, verweisen auf die Veränderungen des Landes im Zuge der Meiji-Restauration (S. 110, Abb. 1; S. 113, Abb. 8).6 Dabei hatte erst die infrastrukturelle Erschließung Japans den modernen Tourismus ermöglicht. Dampfschiffe der großen Reedereien transportierten Reisende von allerlei Destinationen zum Inselstaat. In Japan angekommen, fuhr man mit der Eisenbahn bequem und schnell zu den beliebten Sehenswürdigkeiten; die Nachtruhe erfolgte in nach westlichem Vorbild errichteten Hotels. Die Welt des Tourismus, also die eigene Realität, wurde jedoch nicht in das Themenrepertoire der Souvenir-Fotografien aufgenommen. Ebenso wenig wie aktuelle Ereignisse und Missstände im Land. Stattdessen wurden zeitlose und friedvolle Szenerien konstruiert. Wohl wichtigstes Moment der so entstandenen Bilder war die Darstellung der Frau. Abgelichtet wurden vornehmlich junge, attraktive Japanerinnen im traditionellen Gewand; Alter und körperliche Makel wurden negiert. Augenfällig spiegeln die Darstellungen die subjektive Sichtweise der männlichen Reisenden, ihre Fantasien und Sehnsüchte wider: Im westlichen Vorstellungbild von Japan spielte das Motiv der Geisha eine zentrale Rolle. Sie wurde in Europa als Japanerin per se wahrgenommen und mit Attributen wie Weiblichkeit, Erotik, Gefügigkeit, Rechtlosigkeit und Unterwürfigkeit bedacht. Sie wurde aber auch mit Künstlertum, Schönheit, Galanterie, Kultiviertheit und Modebewusstsein in Verbindung gebracht. Im Gegensatz zu der eigenen Wirklichkeit, in der Frauen immer aktiver in der Öffentlichkeit auftraten, politische Mitbestimmung, das Recht auf Erwerbstätigkeit und die Teilnahme an Wahlen einforderten, sah man in der Japanerin eine Bewahrerin des traditionellen Rollenbildes. sions. For their part, visitors thus retained an enduring memory, whereas those at home received an impression of this distant land that they themselves had not had the pleasure of seeing first hand. The photographs, some of which were artistically coloured, could be purchased directly upon arrival at the port of Yokohama. It is remarkable that the pictures were actually studied by visitors before the actual round trip began. Thus, tourists were able to gain an overview of the sights in advance of their visit.5 In addition to their role as souvenirs, the photographs also functioned as a kind of travel guide. If one takes a closer look at the photographs, it is noticeable that they more or less exclusively tend to depict an ‘old’ Japan that had long since ceased to exist. The photographs of samurai, for example, had to be recreated, since this noble warrior clan no longer existed at the time (p. 82, fig. 15; p. 85, fig. 22). Traces of modernisation and westernisation are extremely rare. The odd telegraph pole here and there, which could not be retouched from street views, for example, was indicative of the changes that had taken place in the country during the Meiji Restoration (p. 110, fig. 1; p. 113, fig. 8).6 Ironically, it was Japan’s very infrastructural development that had made modern tourism possible in the first place. Steamships of the major shipping lines transported visitors from myriad destinations to Japan. Upon arrival on the islands, they travelled swiftly and comfortably by train to the popular sights; they sojourned in hotels built specifically in keeping with Western expectations. However, the actual world of tourism – i.e., the reality tourists experienced on a daily basis – was not represented in the motivic repertoire of souvenir photographs. Neither were current events nor grievances in the country. Instead, timeless, serene, harmonious scenarios were constructed and purveyed. The salient aspect of the photographs produced under this aegis was undoubtedly the depiction of women. The subjects of the photographs were primarily young, attractive Japanese women in traditional costume; older women and physical imperfections were strictly ruled out. Strikingly, the depictions reflect the subjective view of male visitors – their fantasies and yearnings: in the Western image of Japan, the motif of the geisha played a central role. In Europe, geishas were perceived as quintessentially Japanese and endowed with attributes, such as femininity, eroticism, compliance, licence and submissiveness. But geishas were also associated with artistry, beauty, gallantry, sophistication and a decided fashion consciousness. In contrast to the visitor’s reality at home, in which women were increasingly active in the public sphere, demanding political participation, the right to gainful employment and universal suffrage, Japanese women were seen as custodians of the traditional female role model.
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