Leseprobe

63 gierten sich sofort für das Haus, sowohl hinsichtlich seiner baulichen Erhaltung als auch für die Erlangung des Denkmalstatus.15 Bernd Grönwald wurde neben Christian Schädlich zum wichtigsten Organisator und Ideengeber für die Bauhaus-Forschungen in der DDR, die bereits 1976 in die Internationalen Bauhaus-Kolloquien an der Weimarer Hochschule mündeten. Dabei wurde das Haus Am Horn zu einem wichtigen Treffpunkt, in dem durch die Familie Grönwald ab 1973 im ehemaligen Wohnraum eine Kabinettausstellung eingerichtet wurde. Die Miete für diesen Raum, der nun nach Anmeldung öffentlich zugänglich war, übernahm die Hochschule. Als Frau Martin 1980 auszog, konnte endlich die störende Trennwand zwischen Wohnraum und Arbeitsnische entfernt werden und 1983 einen vergrößerten Raum für eine zweite Kabinettausstellung bieten. 1985 wurde eine Ausstellung zum 90. Geburtstag des Bauhaus-Meisters Georg Muche präsentiert, der »sein« Haus mehrfach besuchte.  Die Entspannung der Belegung im Haus Am Horn seit den 1970er Jahren hatte zumindest indirekt auch mit dem Wohnungsbauprogramm der DDR zu tun, das ab 1971 die akute Wohnungsnot beseitigen sollte.16 Rationalisierung im Bauwesen mit dominierendem Plattenbau und die komplexe Ausstattung der neuen Wohngebiete mit sozialen Einrichtungen wurden kulturpolitisch mit dem Rückblick auf den sozialen Wohnungsbau der 1920er Jahre und das Bauhaus-Erbe verknüpft. 1971 wurden 86 700 und 1979 162 000 Wohnungen übergeben, bis 1990 insgesamt 1,92 Millionen. Auch in Weimar entstanden drei große Neubaugebiete, ab 1962 Weimar-Nord mit 2 600 Plattenbau-Wohnungen und 6 000 Einwohnern, Weimar-West ab 1977 mit 3 250 Wohnungen und etwa 7 000 Einwohnern17 und ab 1985 Schöndorf-Waldstadt. So konnten innerhalb von 20 Jahren mehr als 25 Prozent der Einwohner Weimars neugebaute Wohnungen beziehen.  Das Haus Am Horn war seit 1976 stets offizieller Bestandteil der Internationalen Bauhaus-Kolloquien und beliebter Treff der ehemaligen BauhäuslerInnen mit Architekten sowie Architektur- und DesignhistorikerInnen aus aller Welt.18 In entspannter Atmosphäre wurde über die Geschichte des Bauhauses ebenso diskutiert wie über aktuelle Tendenzen in Politik, Kunst und Architektur. Die Ehrendoktorwürde der Hochschule für Architektur und Bauwesen Weimar (heute Bauhaus-Universität) für Georg Muche 1979 basierte auf seinem architektonischen Werk,19 das mit dem Haus Am Horn begann, ebenso wie auf seinem pädagogischen Wirken am Bauhaus und darüber hinaus.  Ab 1973 lud Familie Grönwald ausländische Studierende und MitarbeiterInnen zur Feier des 1. Mai in Haus und Garten ein, kleinere Kreise auch zu Weihnachtsfeiern.20 Schließlich integrierten sie das Haus ab 1979 in den Einführungskurs der Architekturstudierenden der Hochschule für Architektur und Bauwesen (HAB) Weimar. Die Geschichte 16 Vgl. https://de.wikipedia.org/ wiki/Wohnungsbauprogramm_ (DDR). 17 Vgl. www.weimar-west.de. 18 Vgl. Erstes Internationales Bauhaus-Kolloquium »50 Jahre Bauhaus Dessau«, Tagungsband. In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Hochschule für Architektur und Bauwesen 23 (1976), H. 5/6. 19 Vgl. Zweites Internationales Bauhaus-Kolloquium. Tagungsband. In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Hochschule für Architektur und Bauwesen 26 (1979), H. 4/5. 20 Sie setzten damit bewusst die Tradition der legendären Bauhaus-Feste fort. 1929 wurde die NSDAP zweitstärkste politische Kraft in Thüringen.

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