Leseprobe

89 Das Haus Am Horn hat im Laufe seiner Geschichte mehrere Eigentümer und Nutzer gehabt und wurde bereits kurz nach seiner Errichtung, ohne Einfluss des Bauhauses, wesentlich verändert. An der Nordseite wurde ein Eingangsbau mit Windfang und Vordach sowie einer neuen Kellertreppe zur Vergrößerung des Flurs angebaut, an der Südseite eine Veranda am Zimmer der Dame. Der größte Eingriff erfolgte mit der Erweiterung des Esszimmers und des Kinderzimmers nach Osten sowie mit dem Anbau eines zusätzlichen Raums mit Unterkellerung, die durch eine Außentreppe erschlossen wurde. Neben dem erforderlichen Abriss von Außenwänden wurden auch im Inneren einzelne Wände versetzt und neue Türöffnungen hergestellt. Darüber hinaus wurde das gesamte Gartengelände komplett umgestaltet und mehrere Garagen und Geräteschuppen sowie ein Hundezwinger errichtet.1  Durch ungenügenden Bauunterhalt hatten sich nach 75 Jahren gravierende Schäden am Gebäude eingestellt. Sie waren die Folge mangelnder Wartung in der Kriegs- und Nachkriegszeit mit teilweise dramatischer Überbelegung des Hauses. Auch in den folgenden Jahrzehnten wurden in der DDR andere Prioritäten im Wohnungsbau gesetzt, sodass erst ab den 1970er Jahren durch Initiative der Familie Grönwald als Mieter mit Unterstützung der Hochschule für Architektur und Bauwesen akute Baumängel beseitigt werden konnten.  In den 1990er Jahren verstärkten sich die Bauschäden und veranlassten die Weimarer Wohnstätte als Eigentümer, Untersuchungen zum Baugrund und Tragwerk sowie zur Bauphysik des Hauses durchzuführen. Schäden am Eingangsbauwerk und Risse in der Dachabdichtung wurden vermutlich durch Bewegungen im Baugrund hervorgerufen. Der ermittelte Sanierungsaufwand überstieg die durchschnittlichen Kosten für eine Wohnungseinheit wesentlich und wurde deshalb als wirtschaftlich nicht angemessen eingeschätzt.  1996 wurde das Haus als Teil der Bauhaus-Stätten zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. Parallel dazu gab es Aktivitäten zur Finanzierung der Sanierung und Trägerschaft des Hauses. Es wurde ein Sanierungs- und Nutzungskonzept diskutiert, das die Wiederherstellung des Hauses in seiner räumlichen Fassung von 1923 mit dem Freundeskreis der Bauhaus-Universität Weimar e.V. und einem Designinstitut der Bauhaus-Universität Weimar als Nutzer vorsah. Die Sparkassen-Finanzgruppe Hessen-Thüringen übernahm den Hauptteil der Finanzierung, die durch Förderungen der Bundesrepublik Deutschland, des Freistaates Thüringen und der Stiftung Denkmalschutz ergänzt wurde. Der Freundeskreis als Bauherr unter Leitung von Bernd Rudolf ließ sich für die Sanierung durch die Gesellschaft für Kommunalbau in Thüringen mbH vertreten. Die architektonische Planung lag beim Architekturbüro Schettler & Wittenberg,2 die Gartenplanung bei den Landschaftsarchitekten DANE. Darüber hinaus wurde eine baubegleitende Projektgruppe mit Dieter Bauhaus, dem Vorstandsvorsitzenden der Sparkasse Weimar, und Heiko Schulz, dem Kanzler der Bauhaus-Universität Weimar, berufen, in der sich auch ein denkmalpflegerisches Beratungsteam mit Barbara Happe und Michael Siebenbrodt formierte.3  Die bauhistorische Recherche begann mit dem Bauhausbuch 3 »Ein Versuchshaus des Bauhauses in Weimar«, das von Adolf Meyer, dem Bauhaus-Meister und Büropartner von Walter Gropius, zusammengestellt worden war. Darin sind Firmen und Baumaterialien ebenso dokumentiert wie die beteiligten Studierenden 1 Vgl. Thomas Wittenberg: Schwerpunkte der denkmalpflegerischen Sanierung, in: Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen, Thomas Wurzel (Hrsg.): Das Haus »Am Horn«. Denkmalpflegerische Sanierung und Zukunft des Weltkulturerbes der UNESCO in Weimar. Frankfurt a.M. 1999, S. 24–31, S. 50. 2 Thomas Wittenberg: Haus Am Horn. Baukonstruktion und Bauweise, S. 32–33; Die Instandsetzung der Außenwand, S. 60; Der partielle Ersatz der Außenwand, S. 61; Die Dachabdichtung, S. 64; Das Opakglas, S. 70; Die Fußbodenbeläge, S. 71; Die Fenster, S. 78; Sonnenschutzeinrichungen, S. 79, in: Freundeskreis der Bauhaus Universität Weimar e.V. (Hrsg.): Haus Am Horn. Rekonstruktion einer Utopie. Weimar 2000 (Konzeption, Realisation und Redaktion: Bernd Rudolf). 3 Vgl. Wittenberg (Anm. 1), S. 63.

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