Leseprobe

90 am Ausbau und der Ausstattung des Hauses.4 Die verwendeten, unretuschierten Originalfotos befanden sich in den »Bauhaus-Alben« im Archiv der Bauhaus-Universität. Sie wurden im Auftrag des Bauhaus-Direktors Walter Gropius bereits 1923 in einem Fotoalbum zusammengestellt und beschriftet.5  Darüber hinaus wurde im Thüringischen Hauptstaatsarchiv Weimar, im Bauaktenarchiv der Stadt Weimar sowie im Archiv der Familie Grönwald zur Planung, zum Bau, zu den Bauschäden sowie den Bau- und Sanierungsmaßnahmen am Gebäude und Grundstück bis 1998 recherchiert.6  Nach dem Auszug der Familie Grönwald erfolgten ab Mai 1998, und auch noch baubegleitend, Untersuchungen zur originalen Farbfassung durch Thies Müller. Darüber hinaus wurden eine metallrestauratorische Stellungnahme und eine Einschätzung der bestehenden haustechnischen Anlage eingeholt. Die Bestandskartierung aller Oberflächen bildete die Grundlage für die spätere maßliche Zuordnung und Wiederherstellung nicht mehr vorhandener An- und Einbauteile, beispielsweise der Leuchten.  Die Wiederentdeckung der komplexen Farbigkeit im Haus Am Horn war die größte Überraschung der denkmalpflegerischen Befunde. Und sie musste überhaupt erst durch das Beraterteam durchgesetzt werden. Das betraf nicht nur die Farbuntersuchung aller Wand- und Deckenflächen, sondern auch den Holzanstrich von originalen Türen, Fenstern und Einbaumöbeln bis hin zu den farbigen Opakgläsern als Fußbodenleisten und Wandverkleidungen sowie Bodenbelägen. Die Ergebnisse waren umso wertvoller, da es keinen Farbentwurf für das Haus gab. Die befundeten Probeanstriche im Wohnraum belegen, dass der endgültige Anstrich vor Ort festgelegt worden war. So konnte ein weiteres wichtiges Objekt farbiger Architektur des Bauhauses rekonstruiert werden, das den Mythos der »Weißen Moderne« widerlegt.7  Bei der Restaurierung des Hauses Am Horn als UNESCO-Weltkulturerbe hatte der sorgfältige Umgang mit der historisch überlieferten Bausubstanz besondere Priorität. Alle Bauelemente wurden begutachtet und erfasst. Beschädigte und nicht mehr nutzbare Bau- und Ausbauteile wurden gesichert, dokumentiert und im ehemaligen Vorratsraum des Kellers in einem Regalsystem eingelagert.8  Nach dem Rückbau und der baukonstruktiven Wiederherstellung von Wänden, Decken, Kellertreppe und Lichtschächten folgte die Erneuerung aller nicht mehr im Original erhaltenen Metall- und Holzfenster bis zu den Metallkonstruktionen für die Rollos. Die verlorenen Fußbodenleisten und Wandbekleidungen aus Opakglas in Küche und Bad konnten leider nicht mit dem ursprünglichen Material ersetzt werden. Dieses Problem wurde durch die Fehlinterpretation der retuschierten Fotos verstärkt, die deutliche Fugen an den Wänden zeigen. Statt der ursprünglich realisierten pflegeleichten und besonders hygienischen Verkleidung mit großen Glastafeln, die fugenlos versetzt wurden, führte man bei der Rekonstruktion dunkelgraue Fugen ein.9  Originale Einbauteile wie Leuchten, Türen, Fenster, Türgriffe und Fensterriegel sowie Einbaumöbel wurden restauratorisch bearbeitet 4 Staatliches Bauhaus Weimar, Adolf Meyer (Hrsg.): Ein Versuchshaus des Bauhauses in Weimar (Bauhausbücher 3). München 1925. 5 Vgl. Klaus-Jürgen Winkler (Hrsg.): Haus am Horn, Architektur, Bühnenwerkstatt, Druckerei (Bauhaus Alben 4) Weimar 2009. 6 Diese Recherche lässt sich in der Masterarbeit von Alessandro Rintallo an der Bauhaus-Universität Weimar 2020 detailliert nachvollziehen. 7 Vgl. Michael Siebenbrodt: Der Wohnraum Adolf Meyers in Weimar. Ein Gesamtkunstwerk mit Wandbildern von Oskar Schlemmer und Werner Gilles im Kontext der Bauhaus-Ausstellung 1923, in: Hellmut Th. Seemann, Thorsten Valk (Hrsg.): Klassik und Avantgarde. Das Bauhaus in Weimar 1919–1925. Göttingen 2009, S. 203–223. 8 Bei den Vorbereitungen der Baumaßnahmen 2018/19 wurde nicht nur das Gebäude digital vermessen, sondern auch die gesicherten Artefakte digital inventarisiert. 9 Zu dieser Fehlinterpretation trugen hauptsächlich die retuschierten Fotos bei, die offensichtlich auch Adolf Meyer nicht beanstandet hat. Aber auch die Originalfotos zeigen wesentlich schmalere Stoßkanten der Glaselemente, die aber optisch nicht beabsichtigt waren. 10 Vgl. Klaus-Jürgen Winkler: Bauhaus-Alben 2. Weimar 2007; Klaus Weber: Die Metallwerkstatt am Bauhaus. Berlin 1992.

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