175 Einst als »Architektur für Uebermorgen« gedacht, hat das Haus Am Horn mittlerweile eine jahrzehntelange Nutzungsgeschichte hinter sich.1 Sein heutiger Zustand, auch wenn er sich von außen einheitlich und modern präsentiert, ist das Ergebnis einer knapp 100-jährigen Geschichte des Gebrauchs, der Veränderung, des Eingriffs. Die architekturhistorische Bedeutung des Baus wurde zunächst nicht erkannt. Im Gegenteil, die moderne Architektur der 1920er Jahre, als »Neues Bauen« bezeichnet, hat zeitgenössisch mit ihrer ungewohnten Ästhetik eher für Irritationen gesorgt.2 Anschließende Erweiterungen, Bauschäden, insbesondere durch fehlende Instandsetzungsmittel, prägen die Geschichte des Hauses am Horn. Zudem ist der Architektur die Veränderung als »Gebrauchskunst« immanent. Sie musste sich ihrem Zweck nach schon immer unterschiedlichen Nutzungsanforderungen anpassen, zumal wenn Wirtschaftskrisen, Wohnungsknappheit, Krieg und unterschiedliche politische Systeme das Schicksal eines Bauwerks formten wie beim Haus Am Horn.3 Dennoch ist seine Bedeutung heute unumstritten: Es ist das erste und einzige architektonische Zeugnis, dass das Bauhaus in Weimar hinterlassen hat. Entworfen wurde es von dem Maler Georg Muche, ausgeführt vom Baubüro Gropius, ausgestattet von Bauhaus-Studierenden und -Lehrenden. Es nimmt innerhalb der Bauhaus-Geschichte einen besonderen Rang ein, manifestieren sich doch hier erstmals die radikal neuen Gedanken des Bauens und Wohnens der 1919 gegründeten Institution. Sollte am »Endziel aller künstlerischen Tätigkeiten« der Bau stehen, wie im Bauhaus-Manifest heraufbeschworen, so stellt das Haus Am Horn eines der frühesten baulichen Zeugnisse des Bauhauses dar. Selbst wenn es äußerlich nur als kleine »Kathedrale der Zukunft« erscheint, so ist es doch das erste, erstrebte Gemeinschaftswerk des Bauhauses.4 Daher stellen sich für die museale Präsentation entscheidende Fragen: Was kann und soll im und mit dem Haus gezeigt werden? Wie können die bahnbrechenden neuen Bau- und Wohnideen von 1923 vermittelt werden, ohne die Geschichte des Hauses zu negieren? Die Klassik Stiftung, das neue BauhausMuseum und das Haus Am Horn Nachdem sich über 20 Jahre der Freundeskreis der Bauhaus-Universität Weimar engagiert und ehrenamtlich um das Haus gekümmert hatte, übernahm es die Klassik Stiftung Weimar im Januar 2019 in ihren Stiftungsbestand. Damit wird das Haus durch den geregelten Museumsbetrieb jetzt und auch in Zukunft einer interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Für die Stiftung ist das Haus ein bedeutender Zugewinn, erweiterte es doch den Bestand um ein herausragendes Zeugnis der Wohnkultur des 20. Jahrhunderts. Seit 1996 steht das Haus Am Horn unter UNESCO-Welterbeschutz, zusammen mit den Bauhaus-Stätten in Weimar und Dessau; seit 2017 kamen die Laubenganghäuser in Dessau und die Bundesschule Bernau von Hannes Meyer dazu. Erstaunen mag, dass damit das Haus Am Horn zusammen mit den Schulgebäuden von Henry van der Velde in Weimar zwei Jahre eher unter Welterbeschutz gestellt wurden als die Gebäude, für die Weimar im öffentlichen Bewusstsein noch viel stärker steht. Das Klassische Weimar mit dem Goethe-Nationalmuseum, Goethes Gartenhaus, dem Ilmpark, dem Schloss und weitere Bauten wurden erst 1998 zum Welterbe ernannt.5 Die Klassik Stiftung Weimar ist 1 In Abwandlung eines Zitats, welches das Bauhaus als erste »Staatsschule der Kunst von Uebermorgen« bezeichnet, vgl. N.N.: Das Weimarer Bauhaus, in: Das Illustrierte Blatt, Frankfurt a. M. 28. 8. 1923, Nr. 35, S. 12. 2 Stefan Matz: (Un)geliebtes Muster. Neue Einsichten zum Haus Am Horn. Weimar 2001. 3 Vgl. dazu den Beitrag von Marlis Grönwald und Alessandro Rintallo und Michael Siebenbrodt in diesem Band. 4 Sieht man einmal vom Haus Sommerfeld in Berlin ab, das bereits zuvor vom Baubüro Gropius zusammen mit Studierenden des Bauhauses gebaut und ausgestattet wurde. Vgl. Celina Kress: Adolf Sommerfeld – Andrew Sommerfield: Bauen für Berlin 1910–1970. Berlin 2011. 5 Erich Taubert: Unesco Welterbe in Weimar. Weimar 2001 (2. Aufl.).
RkJQdWJsaXNoZXIy MTMyNjA1