Leseprobe

180 hochinnovativ aus, das als damaliges Musterhaus die neuesten technischen und industriellen Errungenschaften für den Haushalt miteinbezogen hat. Dazu gehörten 1923 auch die Waschmaschine und die Zentralheizung im Keller.18  Um die Ausstellung im Haus möglichst zurückhaltend zu gestalten, bot sich ein weiteres elektronisches Medium an: die neu entwickelte Bauhaus-App, die vertiefende Informationen liefert. Sie vermittelt neben Wissenswertem zur Baugeschichte und zur BauhausAusstellung 1923 Hintergründe zur Siedlungs-, Nutzungs- und Rekonstruktionsgeschichte. Ebenso erfahren die BesucherInnen etwas über die BewohnerInnen des Hauses, die verwendeten Materialien oder die Farbgestaltung. In der App sind weitere historische Fotografien zu finden, zusätzlich zu Zeitzeugen-Interviews: mit dem alten Georg Muche bei seinem Besuch des Hauses Am Horn in den 1980er Jahren, mit BewohnerInnen des Hauses, die in den 1950/60er Jahren dort lebten, und mit Michael Siebenbrodt, ehemaligem Kustos des Bauhaus-Museums und langjährigem Vorsitzenden des Freundeskreises der Bauhaus-Universität.  Die Anforderungen eines Museumsbetriebs verlangen bei aller gestalterischen Zurückhaltung jedoch eine gewisse Infrastruktur für Ticketverkauf, Garderobe und Shop. Daher fungiert heute als Kassenraum das ehemalige Gästezimmer des Hauses, über das am wenigsten bekanntes historisches Material vorliegt. Hier wurden denkmalgerecht abgestimmt neue Kassenmöbel, Regal und eine Garderobe eingebaut. Um die BesucherInnen in das »Experiment« Haus Am Horn einzustimmen, können sie gleich beim Ticketkauf zwei sehr widerstreitende Zitate aus der zeitgenössischen Rezeption des Hauses wahrnehmen. Ist es ein Haus, das Sehnsucht weckt? Oder ist es nicht doch eher »für Leute mit Nerven unbewohnbar«?  Die vielfältigen Lösungen, die für die Ausstellung im Haus Am Horn gefunden werden konnten, verbinden nunmehr auf transparente Weise Original und Rekonstruktion. Der Einzigartigkeit des Hauses wurde mit reversiblen und minimalinvasiven Einbauten Rechnung getragen, ebenso wie die Wände – aus Achtsamkeit dem Zustand von 1923 gegenüber – frei belassen wurden. Die entscheidenden thematischen Ergänzungen zur Ausstellung bietet die App. Wer sich nicht digital orientieren möchte, kann das Buch zum Haus erwerben, in dem alle relevanten Themen zusammen mit reichem Bildmaterial zusammengefasst sind.19  Ist die Geschichte des Hauses Am Horn damit abgeschlossen? Sicherlich stellt die jetzige Präsentation nur einen möglichen Zustand dar und fordert zu wissenschaftlicher Forschung und weiteren Überlegungen heraus. Im Moment präsentiert sich das Haus jedoch ganz im Sinne der Ursprungsidee als ein heutiges Gemeinschaftswerk unterschiedlicher Beteiligter aus Denkmalpflege, Wissenschaft, Kunstgeschichte und Gestaltung. Mit seinem exzeptionellen Einblick in das vom Bauhaus gestaltete Wohnen 1923 mag es auch im Jahr seines 100-jährigen Bestehens – und darüber hinaus – zukünftige Lebensträume inspirieren. Ausstellungskonzept Anke Blümm, Martina Ullrich Wissenschaftliche Beratung Ute Ackermann, Ulrike Bestgen Ausstellungsgestaltung Kalhöfer & Hoffmann, Köln Medienkonzeption mediaarchitecture (Andreas Wolter, Jens Weber) 18 Da von diesen originalen Zeugnissen im Keller nichts mehr zu sehen ist und zudem ein Ort für Sicherheit und Elektrik gefunden werden musste, steht der Keller den BesucherInnen nicht offen, birgt aber auch keine ungehobenen Schätze, die dem interessierten Beobachter vorenthalten werden. 19 Anke Blümm, Martina Ullrich (Hrsg.): Haus Am Horn. BauhausArchitektur in Weimar. München 2019.

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