Leseprobe

13 Das Haus Am Horn wurde nach dem Entwurf des jüngsten Bauhaus-Meisters Georg Muche mit Unterstützung des Architekturbüros von Walter Gropius und Adolf Meyer anlässlich der großen Bauhaus-Ausstellung 1923 errichtet und unter Mitwirkung aller Bauhaus-Werkstätten und zahlreicher Studierender ausgestattet. Dieses einzige vom Staatlichen Bauhaus realisierte Gebäude in Weimar wurde gemeinsam mit den Hochschulgebäuden und den Dessauer Bauhaus-Bauten 1996 durch die UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt.2 Neben den herausragenden architektonischen Leistungen wird damit die bedeutendste und folgenreichste Hochschule für Gestaltung im 20. Jahrhundert gewürdigt.3  Das »Staatliche Bauhaus in Weimar« wurde am 1. April 1919 von dem deutschen Architekten Walter Gropius als eine Avantgardeschule neuen Typs, als Zusammenschluss der ehemaligen »Großherzoglichen Hochschule für Bildende Kunst« und der ehemaligen »Großherzoglichen Kunstgewerbeschule« Henry van de Veldes gegründet.4 Bis 1933 entwickelte sich diese Hochschule für Gestaltung in Weimar, Dessau und Berlin auch unter den nachfolgenden Direktoren Hannes Meyer und Ludwig Mies van der Rohe weiter. Wie keine andere deutsche Bildungseinrichtung war das Bauhaus mit den politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklungsprozessen in der Weimarer Republik verbunden und teilte deren Schicksal.5  Walter Gropius formierte bis 1923 in Weimar einen internationalen Lehrkörper von Weltgeltung mit Lyonel Feininger, Georg Muche, Johannes Itten, Gerhard Marcks, Paul Klee, Oskar Schlemmer, Wassily Kandinsky und László Moholy-Nagy. Sie vermittelten gestalterische Grundlagen und führten als »Formmeister« der Bauhaus-Werkstätten Kreativität und Teamwork in die Arbeits- und Lebensgemeinschaft am Bauhaus ein.6 Im Zentrum der Ausbildung stand die umfassende Förderung aller Talente der Studierenden, die Ausprägung ihrer Individualität, aber nicht die Nachahmung der Lehrervorbilder. Mit der These »Kunst und Technik – eine neue Einheit« gab Gropius dem Bauhaus das unverwechselbare Profil als erste Designhochschule der Welt.7 Am Bauhaus studierten durchschnittlich 150 bis 200 junge Menschen, teilweise über 50 Prozent weibliche und 25 Prozent ausländische Studierende. Weltoffenheit und internationaler Austausch von Ideen, fachübergreifende Zusammenarbeit mit WissenschaftlerInnen und der Industrie prägten das Profil dieser Schule und waren ein Geheimnis ihres Erfolgs.8  In diesem 1 Vgl. Michael Siebenbrodt: Das Haus »Am Horn« – ein Versuchshaus des Bauhauses in Weimar 1923 und Weltkulturerbe der UNESCO, in: SparkassenKulturstiftung Hessen-Thüringen (Hrsg.): Das Haus »Am Horn«. Denkmalpflegerische Sanierung und Zukunft des Weltkulturerbes der UNESCO in Weimar. Frankfurt a.M. (selecta 1), 1999, S. 10–23. 2 Im Kontext der denkmalpflegerischen Sanierung des Hauses Am Horn und der Übergabe an den Freundeskreis der BauhausUniversität Weimar e.V. wurden drei Publikationen herausgegeben. Vgl. Anm. 1 und Freundeskreis der Bauhaus-Universität Weimar e.V. (Hrsg.): Haus Am Horn. Rekonstruktion einer Utopie. Weimar 2000 (Konzeption, Realisierung und Redaktion Bernd Rudolf); Stefan Matz: (Un)geliebtes Muster. Neue Einsichten zum Haus Am Horn. Weimar 2001. 3 Dafür spricht auch die Aufnahme der Kunstschulbauten Henry van de Veldes in Weimar, erbaut 1904 bis 1911, in denen das Bauhaus als Nachfolgeinstitution wirkte. Leider beschränkt sich die Welterbe-Erklärung auch mit der Evaluierung 2017 auf die Architekturobjekte in Weimar, Dessau und Bernau und bezieht die in situ seit 1925 erhaltenen Sammlungen und Archivbestände in Weimar nicht ein. 4 Vgl. Walter Gropius: Programm und Manifest des Staatlichen Bauhauses in Weimar, mit Titelholzschnitt von Lyonel Feininger Weimar 1919. 5 Vgl. Bauhaus-Archiv, Museum für Gestaltung (Hrsg.): Experiment Bauhaus. Das Bauhaus-Archiv Berlin (West) zu Gast im Bauhaus Dessau. Berlin 1988; Michael Siebenbrodt, Lutz Schöbe: Bauhaus 1919–1933. Weimar, Dessau, Berlin, New York 2009; BauhausArchiv Berlin/Museum für Gestaltung, Stiftung Bauhaus Dessau, Klassik Stiftung Weimar (Hrsg.): modell bauhaus. Ostfildern 2009. 6 Vgl. Michael Siebenbrodt (Hrsg.): Bauhaus Weimar. Entwürfe für die Zukunft. OstfildernRuit 2000; Klassik Stiftung Weimar/Ute Ackermann, Ulrike Bestgen (Hrsg.): Das Bauhaus kommt aus Weimar. München, Berlin 2009. 7 Vgl. Walter Gropius: Grundsätze der Bauhausproduktion, in: Neue Arbeiten der BauhausWerkstätten (Bauhausbücher 7). München 1925, S. 5–8. 8 Vgl. Folke Dietzsch: Die Studierenden am Bauhaus. Dissertation an der Hochschule für Architektur und Bauwesen Weimar. Weimar 1990.

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