28 pelbödiges: Der Künstler scheint nicht selten zeittypische Topoi und Stereotype zu erfüllen, um sie zugleich in meist humorvoll-distanzierender Art in Frage zu stellen bzw. zu unterminieren. Leben und Schaffen Ubbelohdes sind geprägt von einem gewollten (will sagen: gelebten und in seinen Arbeiten aufscheinenden) Wechselspiel zwischen Akzeptanz und Ablehnung der gegebenen gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen und Strukturen des kaiserzeitlichen Kunstbetriebs. Im Folgenden sollen daher zwei zeittypische Kunstbewegungen – die des Jugendstils und der Pleinairmalerei – exemplarisch beleuchtet werden, um genauer auszuloten, inwieweit sich Ubbelohdes Individualität und Originalität gerade in Resonanzen bzw. Dissonanzen zu ihnen entwickelte. In einer Schlussbetrachtung wird nochmals die Frage nach dem topischen Charakter von Ubbelohdes Rückzug nach Goßfelden, wo er bis zu seinem Lebensende 1922 blieb, aufgegriffen. In der bisherigen – noch immer schmalen – Forschung zum Maler ist das Schaffen des Künstlers bereits in einen breiteren Kontext gestellt worden.10 Doch bietet die Methode der Dekonstruktion noch reichlich Erkenntnispotential, um besser einsichtig zu machen, dass sowohl die Lebensführung als auch das Werk des Künstlers zu keinem Zeitpunkt seines Schaffens abgeschlossen und in unverrückbare Sinnbezüge eingespannt waren, ebenso wie auch alle diesbezüglichen Interpretationen nichts anderes als nachgereichte Versuche sind, die prinzipielle Sinnoffenheit seiner Kunst und Existenz einer scheinbar stringenten, widerspruchsfreien Festschreibung zu unterziehen.11 Es ist schon angeklungen, dass Ubbelohde sich der Aporien des eigenen Lebens und Wirkens sehr wohl bewusst war und er deswegen nicht selten einen der möglichen Auswege gewählt hat, um auf Abstand zum eigenen Ich zu gehen: Humor und Selbstironie. Jugendstil und die Verschränkung von Kunst und Leben In künstlerischer Hinsicht besteht eines der wesentlichen Anliegen des Jugendstils in der ästhetisch-humorvollen Ausgestaltung und Übersteigerung der menschlichen Existenz, einer weitgehenden Verbindung von Kunst und Leben. Daher trägt die seit 1896 im Verlag Georg Hirth erscheinende Wochenzeitschrift Jugend – auf die die Bezeichnung Jugendstil zurückgeht – auch den Nebentitel »Münchner Illustrierte für Kunst und Leben«.12 Dass die Bildfindungen dabei mitunter ins Gekünstelte, Manierierte oder Affektierte abgleiten können, wird billigend in Kauf genommen. Denn bei der Gestaltung eines Bildes oder eines Objekts kommt es nicht nur auf dessen inhaltliche Stimmigkeit oder Funktionalität an; vielmehr ist die ornamentale Großform, 3 REKTORATSBALL DER UNIVERSITÄT MARBURG IM OKTOBER 1911 1911, Zeichnung, 75,0 × 99,0 cm, KMM
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