27 den, sprachlich vermittelten ideologischen Vereinnahmung des Künstlers. So bezeichnet ihn etwa Bodo Ebhardt – angesehener Burgenforscher und Architekt, der im Auftrag Kaiser Wilhelms II. die Hohkönigsburg im Elsass rekonstruiert hatte – in seiner 1915 erschienenen monographischen Würdigung als einen »Propheten des Deutschtums«.5 In der Zeit des Nationalsozialismus fanden solche Zuordnungen nochmals eine Steigerung.6 Eine ihrer Grundlagen hatten jene Instrumentalisierungen in Ubbelohdes Vernetzungen mit den Macht- und Leistungseliten seiner Vaterstadt, die bereits weit vor dem Ersten Krieg entstanden waren: Die Begeisterung für Otto von Bismarck, den »Eisernen Kanzler«, dem maßgeblich die Gründung des Deutschen Reichs 1870/71 zu danken gewesen war, hatte schon mit dessen Entlassung 1890 einen Höhepunkt erreicht, die sich mit dessen Tod 1898 zu einem regelrechten Bismarck-Kult steigerte. Getragen wurde dieser von den nationalliberalen und erzkonservativen Kreisen im Reich, die seit den 1890er Jahren auch in Marburg die Oberhand hatten. Nicht anders als in zahlreichen anderen Städten des Reiches wurde daher in Marburg durch die örtlichen studentischen Korporationen der Bau eines Gedenkturms angestrebt; die Corpsstudenten versicherten sich zur Durchsetzung des Projekts der Fürsprache des nationalliberalen Vizebürgermeisters Friedrich Siebert (1831–1918), der gemeinsam mit dem konservativen Oberbürgermeister Ludwig Schüler (1836–1930) über Jahrzehnte die kommunalen Geschicke in Marburg bestimmte. Siebert war der Begründer der 1891 ins Leben gerufenen Landsmannschaft Hasso-Borussia, einer der schlagenden Studentenverbindungen Marburgs. Bereits ihr Name suggerierte die unverbrüchliche Treue Hessens zu Preußen, das 1866 Kurhessen annektiert hatte. Damit war Siebert der führende Repräsentant und Exponent der pro-preußischen studentischen Vereinigungen in Marburg. Durch dessen energischen Einsatz konnte der Bismarck-Turm schließlich ab 1901 nach leicht abgewandelten Plänen von Wilhelm Kreis auf dem Glaskopf – einer dem Landgrafenschloss gegenüberliegenden Erhebung – errichtet und 1904 eingeweiht werden.7 Aus Dankbarkeit für sein Engagement als Vorsitzender des »Ausschusses für die Errichtung einer Bismarcksäule« überreichten ihm die im Komitee vertretenen Studentenkorporationen eine Urkunde. Dass zu deren Gestaltung Otto Ubbelohde den Auftrag erhielt, ist Beleg seiner – mit der Mehrheit der Stadtgesellschaft geteilten – deutsch-nationalen Gesinnung, aber auch des Wohlwollens, das ihm Siebert und der Magistrat der Stadt entgegengebrachten (Abb. 2).8 Ubbelohde selbst hat sich indes noch 1911 selbstironisch als ›einsamer Poet‹ dargestellt, wie er – müde und überdrüssig – zum Beschauungsobjekt Marburger Bürger und Studierender geworden sei, gerade weil er sich (scheinbar) von ihnen abzugrenzen suchte (Abb. 3).9 Durch die enge Bindung seiner Kunstproduktion an seinen Lebensmittelpunkt, die Otto Ubbelohde mit der Neuausrichtung seiner Existenz 1899/1900 schuf, erhalten Werk und Biographie des Künstlers etwas Dop2 ENTWURF EINER URKUNDE FÜR BÜRGERMEISTER SIEBERT um 1907/08, Zeichnung, 63,6 × 44,7 cm, OUS
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