Leseprobe

35 gen von seiner Hand zu erinnern, die durch die Zeitläufte – vor allem schlagartig durch die Bombardierung Dresdens am 13. Februar 1945 – verloren gegangen waren. Neben eigenen Erinnerungen, beispielsweise an das »Arbeitertriptychon« von 1923, dienten dazu vor allem Zeitungsrezensionen, in denen einzelne Werke wie die »Tillergirls« [Abb. 27], » Unglück« [Abb. 36], »Das Fräulein Lehrerin« oder »Dresdner Hauptbahnhof« [Abb. 37] ausdrücklich hervorgehoben wurden. Aus der Rückschau aus einer von der DDR-Kunstpolitik bestimmten Zeit müssen den Künstler diese unwiederbringlichen Verluste an qualitätsvollen Werken besonders geschmerzt haben. Doch gehörte es angesichts weitaus größerer Katastrophen des 20. Jahrhunderts auch zum Stil seiner Generation, diese Verluste zukünftigen Lesern lediglich sachlich darzulegen; aus der Menge und Vielfalt der erwähnten verlorenen Kunstwerke ergibt sich die Klage. Viele Erinnerungen betreffen die Nöte der täglichen Existenz als mittelloser Kunststudent, die Erlebnisse während der Zeit als Wehrmachtssoldat oder nach der Rückkehr in das zerbombte Dresden. Dabei schilderte er die Zeit als Soldat von 1941 bis 1945 recht ausführlich; die Kriegserlebnisse waren im Gedächtnis auch nach vierzig Jahren noch präsent. An Begegnungen, Orte, Natureindrücke und schließlich die Auflösung der Wehrmacht, Heimkehr und Ankunft in den Ruinen der Heimatstadt erinnerte er sich detailiert. Über die Jugend- und Studienjahre sowie die Zeit als bildender Künstler und als Wehrmachtssoldat hinaus erstreckt sich Hans Christophs Erinnerung aus gelegentlich reflektierendem Abstand auch auf die Jahrzehnte der DDR. Als Dozent an der Hochschule für Bildende Künste erlebte er innerhalb des Kollegiums kulturpolitische Auseinandersetzungen, bei denen es um eine geistige Neuausrichtung, doch unter der Oberfläche zugleich auch um die Verstrickung mancher Kollegen mit dem gerade erst überwundenen NS-System ging. Er selbst war Vorwürfen des Formalismus ausgesetzt und ging weiteren Konflikten schließlich aus dem Weg, indem er gemeinsam mit Helga Knobloch sein Brot als Gebrauchsgrafiker verdiente und nur im Stillen künstlerisch tätig blieb. Als er seine Erinnerungen 1980/81 niederschrieb und als Fünfundachtzigjähriger 1986 nochmals durchsah, war an ein Ende der herrschenden politischen Verhältnisse nicht zu denken. Es entsteht der Eindruck, als habe er seine Lebenserinnerungen in der Zurückgezogenheit bewusst für ein späteres Publikum verfasst. Beeindruckt steht der heutige Leser vor der Fülle der Kunst und der Zahl der Künstler. Wenn der Verfasser die Rolle einzelner Persön-

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