74 Mit einem Bildnis von Lohse konnte ich schon in seiner Ausstellung nichts anfangen. Es war ein roter Kopf mit zwei grünen Ovalen als Augen, wie ich später erfuhr ein Porträt des Herrn von Vieth.81 Anscheinend konnte Lohse in seiner kraftvollen Natürlichkeit diesem adligen Herrn nicht voll gerecht werden. Herrn Arnold Vieth von Golßenau, der sich später Ludwig Renn nannte, lernt ich nun durch Dr. Hildebrand Gurlitt und durch Rose Scheumann kennen. Es war ein ehemaliger Offizier, der nach dem Kriege als Hauptmann verabschiedet wurde. Im Felde hatte der den jungen Leutnant Dr. Gurlitt kennen gelernt, mit dessen malender Schwester, wie ich schon erwähnte, Rose Scheumann befreundet war. Von Vieth arbeitete im Büro der »Fides«, einem Unternehmen, welches sein Jugendfreund und Kriegskamerad Rolf von Seydewitz82 mit einigen anderen Adligen, zumeist ehemaligen Offizieren, gegründet hatte.83 Es war die Zeit der Inflation. Die Mark sank mehr und mehr im Wert und in einer Schnelligkeit, dass Löhne und Gehälter sofort in Ware umgesetzt werden mussten. Hier konnte der nun verarmte Adel Schmuck, Gemälde und wertvolle Möbel in Kommission geben. In einem dem Büro benachbarten Laden wurden diese Dinge durch adlige Damen zu Verkauf angeboten.84 Einige der adligen Mitarbeiter blieben arrogant. Die meisten hatten sich aber schon der Entwicklung angepasst, wenige waren von Natur aus sympathische Menschen. Von Vieth und von Seydewitz legten Wert auf Kleidung und erregten Aufsehen, wenn sie sich in ihren neumodischen Knickerbockerhosen und den giftgrünen Kniestrümpfen auf den Straßen zeigten. Vieth lud mich ein, ihn zu besuchen. Er war 12 Jahre älter als ich, wirkte aber sehr jugendlich. Im elterlichen Hause hatte er sich im Dachgeschoss in einem Zimmer eingerichtet. Ich konnte es nicht richtig in Augenschein nehmen, da auf dem Tisch ein vierarmiger Leuchter aus dem ehemaligen Offizierskasino brannte. Vieth fragte mich, ob er mir etwas aus seinem Kriegstagebuch vorlesen dürfe. Ich bejahte es natürlich. Er sagte, dass es aus früheren Tagebuchblättern, seinen Erinnerungen und seinen Kompanieberichten zusammengestellt hätte. ARNOLD VIETH VON GOLSSENAU (SPÄTER LUDWIG RENN) 81 Carl Lohse: »Roter Klang (Bildnis Ludwig Renn)«, 1919, Öl auf Pappe, 71,5 × 45,5 cm, Albertinum, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Inv.-Nr. 79/31. 82 Rolf von Seydewitz, Offizier aus einem sächsischen Adelsgeschlecht, war ein Jugendfreund und Kriegskamerad von Arnold Vieth von Golßenau und gemeinsam mit ihm Mitbegründer der Galerie Neue Kunst Fides, Dresden. 83 Rudolf Probst sowie Rolf von Seydewitz und Eberhard von Haugk, Mitglieder der Fides Verwaltungs- und Vermittlungsgesellschaft m. b. H., gründeten die Galerie Neue Kunst Fides 1923 in der Zinzendorfstraße 2 a, Dresden. Ab 1928 war Probst alleiniger Besitzer der Galerie.
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