Leseprobe

226 Ich schätze Braque in seiner vollendeten, der französischen Tradition verwurzelten Malkultur, Feininger, den gemessenen und kristallklaren Gestalter, Klee und Miró, die es verstehen, uns Wunder sichtbar zu machen. Ich liebe Rousseau in seinen Bildern von schlichter, unintellektueller und menschlicher Größe. Ich liebe vor allem die Natur in der Gesetzmäßigkeit ihrer vielfältigen Erscheinungsformen [Abb. 99–102]. Für die Ausstellung »Kunst im Aufbruch« 1980 hatte Direktor Dr. Uhlitzsch bei mir aus der Zeit um 1930 neben einer Tuschzeichnung und zwei Holzschnitten vier Ölbilder ausgesucht.476 Außer dem Bild »Arbeiterfrau« aus dem Besitz der »Galerie Neue Meister«, die rechte erhalten gebliebene Seite des Arbeitertriptychons von 1924, und einer Kreidezeichnung »Arbeiterkopf«, einer Studie zu diesem Bild und eine Leihgabe des Museums in Zwickau,477 waren nur die Ölbilder »Böhmisches Bergland« [Abb. 52] und »Bergfelder mit Mühle« [Abb. 3] zur Eröffnung gut platziert ausgestellt. Doch nach einiger Zeit verschwand das eine Bild gänzlich, das andere wurde in eine Fensternische gedrängt. Glücklicherweise ist dieses Bild im Katalog farbig reproduziert worden und daraus nicht wegzunehmen.478 Direktor Dr. Uhlitzsch sagte schon in der Eröffnungsrede kommentarlos, dass aus der geplanten kunstpolitischen eine politische Kunstausstellung geworden sei. Für mich erfreulich an dieser Ausstellung war das Wiedersehen der frühen Bilder von Dix und der schönen Elbebilder von Kokoschka. In einem Lichtbildervortrag im Gobelinsaal machte uns Direktor Schmidt mit den abstrakten Arbeiten des schon lange in Paris lebenden und ehemaligen Dresdner Malers Hans Hartung bekannt.479 In einer umfangreichen Ausstellung im Albertinum zeigte er die schönen abstrakten und vielfarbigen großen Farbradierungen von Jonny Friedlaender, die in vielen Museen der Welt Aufnahme fanden. Junge Maler, die von der Hochschule kommen, sind jetzt häufig unzufrieden mit ihrer Ausbildung. In Begeisterung für all das, was ihnen vorenthalten wurde, rutschen dabei manche von ihnen aus. Wahrscheinlich sind es nicht die Unbegabtesten, aber ihnen fehlt 476 Kat. Dresden 1980, S. 238 f., Nr. 41–49. 477 Hans Christoph: »Arbeiterkopf«, 1924, Kohle, Kreide, 59,7 × 45,7 cm, Kunstsammlungen Zwickau Max-Pechstein-Museum; vgl. Kat. Dresden 1980, S. 238, Nr. 46. 478 Kat. Dresden 1980, S. 238, Nr. 43, Abb. S. 223. 479 Der schließlich in Frankreich wirkende Maler und Grafiker Hans Hartung gilt als ein Wegbereiter des Informel. Dass er wesentlich in Dresden geprägt wurde, merkt Werner Schmidt an; vgl. Kat. Marburg 2006, S. 41.

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