Leseprobe

16 Figuren blieb zunächst stark vergröbert und ins Flächige abstrahiert. Weit aufgesperrte Augen, übergroße Köpfe, unruhige Linienführung und Farbauftrag charakterisieren seine um 1925 entstandenen sozialkritischen Typenporträts und Gruppenbildnisse [Abb. 2, 20–22]. Schon vor 1910 hatte das Erlebnis der Formfindungen afrikanischer Holzbildhauer Europas Moderne entscheidende Impulse verliehen. Diese wirkten nach 1919 etwa in der Sprödigkeit des Holzschnittes der sogenannten zweiten Expressionisten-Generation in Deutschland nach, zum Beispiel im Schaffen von Conrad Felixmüller. Vergleichbar wie jener stellte auch Christoph überlebensgroß protestierende Arbeiter dar mit erhobener Faust und »vor innerem Fanatismus«1 geweiteten, durch Wiederholung der Umrisslinien formal stark betonten Augen, ebenso ein »Straßenmädchen« [Abb. 20], »Kleinbürger« [Abb. 21] usw. In diesen Werken entwickelte er für kurze Zeit bis circa 1932 einen unverwechselbaren, wiedererkennbar eigenen Figurenstil. 1927/28, nachdem Christoph nach einer Anstellung als Kunstlehrer in Zittau wieder freischaffend in Dresden tätig war, entstanden Figurenkompositionen, die das Milieu der 1920er Jahre in karikaturhaft zugespitzten Bilderzählungen einfingen: Bürger, Passanten, leicht bekleidete, im Rampenlicht in Reihe tanzende Revuetänzerinnen [Abb. 27 und 34]. Wie für die europäischen realistischen Kunst-Bewegungen dieser Jahre typisch, verfeinerte nun auch Christoph seine Figurenbilder sowohl in der maltechnischen Ausführung als auch im Realismusgrad. Abstrahierte bzw. deformierte Augen und Hände [Abb. 26] stehen nun im Kontrast zu betont realistisch, zuweilen fast hyperrealistsch ausgeführten Details, die Nacktheit zur Provokation werden lassen [»Akt mit Lebemann«, 1927, Abb. 35]. Er sei, so der Direktor des Zwickauer Museums Hildebrand Gurlitt in der Zwickauer Zeitung vom 7. März 1928, »[…] zu Bildern von nacktem Realismus übergegangen. Nie aber bleibt Christoph bei der oft ein wenig sterilen Kühle der neusachlichen 1 Hans Christoph, vgl. S. 85. 2 Hildebrand Gurlitt: »Hans Christoph«, in: Zwickauer Tageblatt 8. März 1928. 3 Fritz Löffler: Hans Christoph – Ausstellung in der Kunstausstellung Kühl im Juni 1976 [Eröffnungsrede], in: Kat. Cottbus 1991, S. 18–22, hier S. 19.

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