Leseprobe

39 Das zeigt sich selbst bei dem von Max Slevogt 1896 gemalten Bild Maskenball/Totentanz, das auf einer Beobachtung im Münchner Fasching beruht, als eine Kellnerin einen Gast hinter sich herzog: »Das Leben ist es, das sich den Tod zum Tanze holt. Der Tod mag gar nicht tanzen«, äußerte dazu Slevogt, wobei er auch durch eine Karnevalspassage in Frank Wedekinds Theaterstück Frühlings Erwachen inspiriert worden sein könnte, in welcher der Tod die Frau bedroht, die in mehrere Rollen zu schlüpfen hat (Abb. 5).9 Das Memento mori als Warnung zu Lebzeiten wurde nach dem Ende der mittelalterlichen Horrorszenen in eine subtilere Form gegossen: Nun finden sich in der bildenden Kunst Totenschädel in arrangierten Tischstillleben als geradezu notwendige Accessoires einer scheinbar dem Genuss und den schönen Dingen des diesseitigen Lebens gewidmeten Bildgattung (Abb. 6). Der Totenschädel avancierte aber nicht nur zum Attribut für opulent ausgestattete Verdeutlichungen der beiden Todsünden Luxus und Völlerei; man findet ihn auch als Zugabe zur frugalen Schonkost in der Höhle oder Zelle eines Eremiten. Er taucht zudem als häufiges Motiv in den Exlibris von Buchbesitzern und -besitzerinnen auf.10 Insofern verflacht sich die Bedeutung vom einstigen Todbringer, er wird zum Memorandum der Sterblichkeit. Der Totenkopf mag auch den bereits überschrittenen Zenit des Lebensglücks andeuten. Sündiger Mensch oder edler Ritter? Doch was ist eigentlich mit dem Menschen, in welcher Gestalt wurde er den Figuren Tod und Teufel entgegengesetzt? Zuerst muss man erläutern, welcher Mensch: Die mittelalterlichen Bilder zeigen die Menschheit hierarchisch streng geordnet nach ihrem Stand und Rang. Konnte der menschliche Held im Diesseits, im alltäglichen Kampf des Guten gegen das Böse nicht sogar ein edler, ein idealer letzter Ritter sein, also so, wie selbst der damals ranghöchste Mensch, Kaiser Maximilian I. aus dem Haus Habsburg (1459–1519), von den Poeten seiner Zeit bezeichnet wurde? Ritter, Tod und Teufel

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