100 Metal setzt sich aus vielen heterogenen Subgenres zusammen. Welche musikalischen und stilistischen Berührungspunkte gibt es trotz aller Unterschiede zwischen ihnen? Besonders in den letzten zehn bis 20 Jahren sind zahlreiche neue Subgenres entstanden, indem sie sich mit anderen Musikstilen vermischt haben. Es wird also zunehmend schwieriger, Gemeinsamkeiten zwischen ihnen zu finden. Meiner Meinung nach ist das einzige Element, das alle Subgenres des Heavy Metal vereint, die Power. Und diese Kraft kommt im Sound, in den Visuals und in dem unfassbaren Gefühl zum Ausdruck, das man beim Hören oder Spielen dieser Musik bekommt. Der Sound soll sich so kraftvoll anfühlen, wie es im Rahmen einer musikalischen Darbietung eben möglich ist. Diese Power geht einher mit subversiven Tendenzen, mit einer Düsternis, mit Rebellion. Eines meiner Lieblingszitate über Heavy Metal besagt, dass es oft eher um das Gefühl als um die Gedanken dabei geht. Das soll nicht heißen, dass Metal nicht zum Nachdenken anregt – im Gegenteil –, aber es ist eine Musik, die ein tiefes, intuitives Gefühl anspricht. Und trotz der Schwere, der manchmal recht intensiven Finsternis und der Beschäftigung mit unbequemen Themen vermittelt Heavy Metal ein ungeheuer ermutigendes und erhebendes Gefühl. Das gilt sowohl für die Musizierenden als auch für das Publikum. Im Metal werden häufig diabolische Motive verwendet. Warum ist Satan eine so wichtige Figur in der Metal-Musik? Metal ist ohne Frage die Musikrichtung der Gegenwart, die die Idee und Kraft des Teufels mehr als jedes andere Genre aufgegriffen hat. Weil der Teufel für Kraft oder Macht steht, aber in einem opaken und letztlich rebellischen Sinne. Die Faszination für den Teufel reicht in der Musikgeschichte weit zurück. In den 1960er-Jahren etwa begannen Musizierende, den Teufel als Symbol der Tapferkeit und als rebellischen Helden zu feiern. Sie haben Miltons Konzept des TeuMusik fels aus dem Verlorenen Paradies wiederbelebt, der eigentlich das Wesen war, das den Mut hatte, Nein zu sagen. Und ich glaube, der Metal ist im Laufe der Jahre einen bewussten oder unbewussten Pakt mit dem Teufel eingegangen, weil dieser die Kraft verkörpert, die es wagt, sich zu widersetzen. Natürlich gab es in der Geschichte des Metals auch Zeiten, in denen die Sache ziemlich ernst wurde. Als in den 1990er- Jahren in Norwegen mehrere Kirchen niedergebrannt wurden, war das ein Moment, in dem die Grenze von der spielerischen Erkundung von Symbolen zu tatsächlich christentumsfeindlichen, satanistischen Handlungen überschritten wurde. Aber in der Geschichte des Metals ist das eher eine Ausnahme, und ich glaube, der Teufel hat in der Metal-Musik weiterhin Bestand, weil es immer einen Grund gibt, Nein zu sagen, sich der Norm zu verweigern, gegen den Strom zu schwimmen. Der Teufel ist letztlich eine Figur, die unsere Gesellschaft und unsere Realität grundlegend infrage stellt. Welche Bedeutung hat der Tod im Metal? Im Metal wird der Tod seit Jahrzehnten durch Liedtexte, Bilder und die Art und Weise, wie die Musik klingt, thematisiert. Dies fällt in die breitere Tradition des Metals als eine Musikform, die die Tabus unserer Gesellschaft offenlegt. Wir distanzieren uns zunehmend von Tod und Sterben, da die Lebensqualität und -erwartung steigen, die Kindersterblichkeit sinkt, die Menschen immer urbaner leben und wir uns von der Erfahrung des Todes entfremdet haben. Metal fungiert als Ventil, als ästhetischer Bewältigungsmechanismus, um sich mit Tod und Sterben auseinanderzusetzen. Und ganz nebenbei entstehen natürlich grandiose Kunstwerke. Manche assoziieren Metal-Musik mit rechtsradikalem Nationalismus und Misogynie. Inzwischen gibt es aber immer mehr Frauen, die die heutige Metal-Musik prägen, und die Texte sind zum Teil offen politisch links orientiert. Was sagst Du zu diesen aktuellen Entwicklungen? Westrey Page:
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