101 In den letzten zehn bis 20 Jahren hat sich Metal besonders stark diversifiziert, und Bands aus praktisch allen Kulturen und Religionen sind vertreten. Daher ist es eigentlich müßig, Verallgemeinerungen über die politischen Überzeugungen oder Neigungen der Metal- Musiker:innen anzustellen. Es gab und gibt rechtsextreme, rassistische Gruppierungen im Metal. Sie waren schon immer eine Minderheit und sie haben keine große Sichtbarkeit, da sie nicht vor einem größeren Publikum für ihre Sache eintreten. Was die Genderquote angeht, lässt sich sagen, dass immer mehr Frauen in Metal- Bands spielen und Fans dieser Musik sind. Aber ohne Frage war und ist der Metal überwiegend Weiß und männlich. Das ist sicherlich sein Fundament. Viele Jahre lang entsprang der Metal aus der naiven Fantasterei halbstarker Männer, und so ist es nicht von der Hand zu weisen, dass etwa für ein Albumcover von Cannibal Corpse frauenfeindliche Bilder verwendet wurden. Dennoch sollte erwähnt werden, dass, nur weil die Ursprünge des Metals überwiegend Weiß und männlich sind, er nicht ausgrenzend ist. Was sind einige der wichtigsten Entwicklungen in der Metal-Musik des 21. Jahrhunderts? Die eindrucksvollste Entwicklung in der Metal-Musik des 21. Jahrhunderts ist die Vermischung von Genres innerhalb des Metals und tatsächlich auch mit anderen Musikstilen. Zurzeit werden alle erdenklichen Genres vermischt. In einem einzigen Metal-Song kann alles vertreten sein, von Turntables über eine Harfe bis hin zu einem chinesischen Saiteninstrument und einem Saxofon. Die zweite bemerkenswerte Entwicklung ist der Grad, in dem sich die Musizierenden mit der Umwelt und dem Klimawandel auseinandersetzen. In den 80er-Jahren besangen Thrash-Metal-Bands wie Nuclear Assault und andere die Zerstörung des Planeten, aber jetzt gibt es Bands wie Gojira aus Frankreich, die ganz darauf ausgerichtet sind, Angst, Wut und Bestürzung über den Zustand Sam Dunn (*1974) ist ein kanadischer Anthropologe, Filmemacher und Mitbegründer der Produktionsfirma Banger Films, die mit dem Emmy und dem Peabody Award ausgezeichnet wurde. Er ist Produzent und Regisseur mehrerer Dokumentarfilme zu Metal-Musik, darunter Metal: A Headbanger’s Journey (2005) und Metal Evolution (2011) sowie von Doku-Serien über Hip-Hop, K-Pop und Popmusik, die von internationalen Streaming-Plattformen wie Netflix, Paramount+, A&E und YouTube Originals produziert wurden. Seine Filme liefen auf zahlreichen internationalen Filmfestivals, darunter dem Toronto International Film Festival (TIFF), dem Tribeca Festival, South by Southwest (SXSW) und Hot Docs. Außerdem hat er einen neuen Podcast über Metal-Musik Caught in a Rant. Interview Sam Dunn der Welt und des Klimas auszudrücken. Metal-Bands wie diese sprechen in ihren Texten zunehmend an, was in unserer Welt passiert, sie bringen ein gewisses Maß an Sorge um den Zustand der Welt zum Ausdruck, statt sich ausschließlich an menschlichen Abgründen zu ergötzen. 2007 kam Dein Dokumentarfilm Global Metal raus, für den Du einige aufstrebende Underground-Metal-Szenen an Orten wie Brasilien, Japan und dem Nahen Osten begleitet hast. Wie hat sich der globale Metal seit der Veröffentlichung Deiner Doku entwickelt? Wie haben diese internationalen Metal-Szenen das Genre (danach weiter) transformiert? Seit der Film 2007 angelaufen ist, hat sich der Metal an diesen Orten und darüber hinaus weiter verbreitet: Es gibt jetzt Bands aus den entlegensten Gebieten wie zum Beispiel dem Herzen der Mongolei, den Färöer-Inseln oder aus den Ländern Subsahara-Afrikas. Diese Bands aus der ganzen Welt verändern das Genre, weil sie ihre eigenen politischen und kulturellen Erfahrungen in die Musik und die Bildsprache einbringen. So werden sowohl die Instrumentierung als auch die kulturellen und politischen Themen des Metals immer vielfältiger. In Ländern mit einer weit zurückreichenden Geschichte von Diktaturen, Menschenrechtsverletzungen und politischer Ungerechtigkeit, wie Brasilien und Indonesien, agiert der Metal als unmittelbarer politischer Kommentar. Wenn westliche Metal-Bands Krieg, menschliches Leid oder den Niedergang der Gesellschaft thematisierten, dann geschah dies meist in Form von historischen Betrachtungen oder Metaphern. Aber an diesen Orten, wo die Bandmitglieder Korruption, Diktatur und Gewalt unmittelbar erfahren haben, wird der Metal zu einem direkteren politischen Statement.
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