12 1b3 In den Messehallen im Herzen von Boston wimmelt es von tätowierten, schwarz gekleideten Händler:innen, die Pentagramm-Mützen, vegane Seifen und lange Kerzen mit GothicMotiven verkaufen. Das Programm des ausverkauften Events umfasst Vorträge, sogenannte Enttaufungszeremonien und Broschüren über sexuelle und reproduktive Rechte sowie Kindererziehung nach dem Motto des außerschulischen Clubs After School Satan. Es ist der 30. April 2023, ein Datum, das einerseits im Hinblick auf die deutsche Tradition der Hexennacht (Walpurgisnacht) gewählt wurde und andererseits den 10. Jahrestag der internationalen Organisation Satanic Temple feiert. Herzlich willkommen auf der SatanCon. Draußen skandieren Demonstrierende und halten Schilder hoch, auf denen sie die Besucher:innen zum Glauben an Jesus missionieren wollen (Abb. 1). Die meisten von ihnen verstehen jedoch nicht, was der Satanic Temple tatsächlich ist – seine Mitglieder opfern weder Ziegen auf Altären, noch beten sie den Teufel als Gottheit an. Wie ein Sprecher auf der SatanCon betonte, »steht Satan als Metapher für individuelle Freiheit, das Streben nach Wissen und Erkenntnis sowie die Rebellion gegen die Willkür von Autoritäten«.1 Diese Menschen nutzen den Satanismus als Bewegung, um dem entgegenzutreten, was sie als religiösen Fanatismus und Heuchelei in der Gesetzgebung ansehen, vor allem in den Vereinigten Staaten, wo eine vermeintliche Religionsfreiheit praktiziert wird, die letztlich das Christentum privilegiert und damit andere Glaubensgemeinschaften und Weltanschauungen ausgrenzt. Der Teufel wird von diesen »neuen Satanist:innen« als Symbolfigur eingesetzt, um sich gegen die von ihnen kritisierten Machtstrukturen zu positionieren. 1 Brian Snyder Satanic Temple holds Satancon 2023 in Boston Fotografie, 28. April 2023, picture alliance / REUTERS
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