105 Autorschaft Der Autor des Chemnitzer Werkes ist uns leider nicht bekannt. Eine ehemals im Heiligen Grab angebrachte Schrifttafel, deren Zugehörigkeit heute eindeutig belegbar ist, weist im Text den Namen »IORG EJN KLL« auf. Die Inschrift befand sich ursprünglich innenseitig an einem der senkrechten Rahmenteile des Innenkastens, einem Ort, der nach dem Aufbau vollkommen unzugänglich war. Deshalb wurden wahrscheinlich 1930 die Inschrift abgetrennt und das Bauteil ergänzt. Die Restauratoren und nachfolgenden Museumsmitarbeiter verewigten sich auf dieser Ergänzung. Die ursprüngliche, nun abgetrennte Inschrift wurde mit der gleichen schwarzen Farbe hergestellt wie die ursprünglichen Passmarken des Innenkastens. Deshalb ist sie wohl eher einem der Autoren des Werkes zuzuordnen. Die Figuren des Nikodemus, des Josef von Arimathäa und des Petrus wurden mit sehr individueller Physiognomie dargestellt, während die Gesichter der übrigen Figuren eher aus der seriellen Fertigung eines Werkstattbetriebs kamen – als wären hier drei konkrete Personen im Bildwerk verewigt worden. Die Figur des Nikodemus wurde angeblich auch von Riemenschneider und Michelangelo für ein Selbstporträt genutzt, und vielleicht tat dies auch der Bildhauer des Heiligen Grabes. Geschichte Die Entstehung des Grabes wurde durch Joseph Müller dem Nürnberger Raum zugeordnet und um 1490 datiert.5 Andere Datierungsversuche geben bereits einen Rahmen vor 1480 an.6 Heilige Gräber aus dieser Zeit blieben zwar seltener als Flügelaltäre erhalten, es gibt aber dennoch Beispiele von in Form und Funktion ähnlich angelegten Bildwerken. So muss hier für Sachsen unbedingt das Heilige Grab der Marienkirche in Zwickau erwähnt werden. Ein weiteres Beispiel mit sehr viel Ähnlichkeit befindet sich in Esztergom.7 Interessanter noch als die ungewissen Umstände der Entstehung sind die der Erhaltung des Heiligen Grabes bis heute. Da es nur für eine kurze Zeit des Kirchenjahrs benutzt wurde, ist anzunehmen, dass das Grab die übrige Zeit aus dem Blickfeld geräumt wurde. Ob es demontiert oder als Ganzes auf Rollen verschoben wurde, ist nicht überliefert.8 Für letztere Variante sprechen nicht nur Ausklinkungen an der Unterseite der Sockelbalken, sondern auch der gute Zustand der lösbaren Verbindungen an der Konstruktion. Das Heilige Grab dürfte daher eher selten zerlegt worden sein, oder es war wesentlich kürzer in Gebrauch als bislang angenommen wird (Abb. 2).9 Seit der Reformation ungenutzt, stand es wohl aufgebaut und verhüllt im Chor der Jakobikirche, wo es 1668 abgebaut und auf den Sängerchor versetzt wurde. Eine Vielzahl von Graffiti der Sängerknaben folgender Jahrhunderte befindet sich heute noch eingeritzt auf der gesamten Oberfläche des Grabes. Erst 1844 verließ es seinen angestammten Ort und gehörte fortan als Leihgabe zur Ausstellung des Sächsischen Altertumsvereins in Dresden. 1875 wurde es nach Chemnitz zurückgeholt, um es in der Sammlung des Chemnitzer Geschichtsvereins aufzustellen. Hier wurde es mindestens viermal bei Ortswechseln des Museums sowie 1931 zur Restaurierung in Dresden und letztlich 1943 zum Schutz vor Luftangriffen ab- und wiederaufgebaut. Seine letzte Demontage erfuhr das Heilige Grab 1983 nach Schließung des Schloßbergmuseums. Damals musste eine Notkonservierung durchgeführt werden, weil das Grab schon einige Zeit in einer Baustelleneinhausung verbracht hatte und diverse Klimaschäden davontrug. Danach blieb es lange Zeit demontiert. Mit Holzwolle in Holzkisten verpackt, lagerte es bis 1995 in der Jakobikirche, seiner einstigen Heimat. Mit dem Transport nach Dresden ins Landesamt für Denkmalpflege sollte die Restaurierung des Kunstwerks beginnen. 1995 wurden, wie schon erwähnt, erneut Konservierungsmaßnahmen und eine Zustandsuntersuchung von der Arbeitsgruppe um Ingolf Pönicker durchgeführt, die zur Erstellung von Planungsunterlagen führte.10 Von 1998 bis zur Wiederaufstellung im Schloßbergmuseum 2001 arbeitete unsere Restauratorengruppe daran. Restaurierungskonzeption Bei der Untersuchung 1995 wurden der Zustand und Aufbau in groben Zügen dokumentiert und überschaubar gemacht. Nach der Untersuchung wurde ein nach möglichem Kostenrahmen variierbares Konzept zur Restaurierung erarbeitet, das mindestens eine Konservierung und zurückhaltende Restaurierung in Form einer Oberflächenreinigung für den Wiederaufbau im Schloßbergmuseum vorsah. Dabei waren noch umfangreichere Maßnahmen zur Holzkonservierung durch Tränkung gefährdeter Bereiche mit Kunstharzlösung und die tiefgreifende Abnahme eines älteren Konservierungsüberzugs geplant. Plastische Ergänzungen sollten nur dort, wo konstruktiv notwendig, oder bei sehr störenden Fehlstellen der Architektur vorgenommen werden. Die Variierbarkeit des ursprünglichen Konzepts wurde durch die neue Arbeitsgruppe dahingehend ausgenutzt, dass bei der Stabilisierung vorwiegend auf Stützmaßnahmen gesetzt wurde, um unnötige Tränkungen des Bildträgers zu vermeiden. Historische Patinierungen und Konservierungsüberzüge sollten nicht vollständig abgenommen werden, sondern nur eine Dünnung erfahren, die zu einem ästhetisch vertretbaren Oberflächeneindruck führt und die ursprüngliche Farbigkeit wieder wahrnehmbar macht. Ein die Konzeption erschwerendes Moment war die Entdeckung einer früheren Behandlung mit Hylotox 59. Die Dekontaminierung mit überkritischem CO2 wurde erwogen, scheiterte aber letztlich an der Anlagengröße und einem nur schwer einschätzbaren Risiko, sodass lediglich manuelle Entgiftungsverfahren einkalkuliert werden konnten. Weiterhin sind durch diverse Auf- und Abbauten die Einzelteile immer wieder anders zusammengefügt worden. Das trifft insbesondere auf das Figurenprogramm zu. Bei der Neuaufstellung sollte versucht werden, die ursprüngliche Montage zu rekonstruieren. Dazu wurden 1995, vor der Restaurierung, umfangreiche Montagepläne erarbeitet. Leider sind von den ursprünglichen Passmarken, die das Figurenprogramm betreffen, nur noch wenige erhalten, sodass man die heute umgesetzte Neumontage nur als der ursprünglichen Montage nahekommend bezeichnen kann.
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