209 Im Jahr 1333 starb Władysław I. Łokietek (Ellenlang), der König von Polen, ein Monarch, der mit großer Mühe die Einigung des Königreichs nach der langen Zeit des Partikularismus herbeigeführt hatte.1 Als erster der Gesalbten wurde er in der neu errichteten Krakauer Kathedrale beigesetzt. Seine Bestattung hatte eine Reihe von weiteren Beerdigungen zur Folge. Die Wawel-Kathedrale diente fortan mehr als 400 Jahre lang als königliches Mausoleum. Die Statue von Władysław I. Łokietek stellte den Typus der Tumba mit Baldachin dar, wahrscheinlich die erste ihrer Art im Königreich Polen. Jan Długosz erwähnte sie in seinen Annalen: »Sepultum est corpus suum in ecclesia maiori Cracoviensi e regione altatris summi in parte laeva, albaque petra per sculpturas et testudinem adornatum, ante Sancti Wladislai Regis altare, quod ipse vivens erexerat, dotaveratque.«2 (Abb. 1) Die Grabsteine seiner Nachfolger auf dem polnischen Thron in der Krakauer Kathedrale entsprachen ebenfalls diesem Typus, unterschieden sich jedoch im Detail vom Original. Dazu gehören der Sarkophag von Kasimir dem Großen (gest. 1370), der wahrscheinlich noch zu Lebzeiten des Herrschers angefertigt wurde und der fürstlichen Werkstatt des Rudolph IV. (genannt »der Stifter«)3 zuzuordnen ist, sowie der Sarkophag von Władysław II. Jagiełło (gest. 1434), der Einflüsse der donauschwäbischen, italienischen und französischen Bildhauerei vereint,4 und schließlich das Denkmal für Kasimir Jagiełło (gest. 1492), gemeißelt von Wit Stwosz (dt. Veit Stoss) und Jorg Huber, mit einem schönen Baldachin mit aufwendiger figuraler Dekoration.5 Das letztgenannte Werk entstand fast zeitgleich mit dem Heiligen Grab in Chemnitz. Es ist auch hinzuzufügen, dass jede der königlichen Tumben von einem entsprechend ausgestatteten Altar begleitet wurde, der gegenüber ihrer Ostseite aufgestellt war. Die königlichen Baldachin-Tumben bilden eine einzigartige Reihe von Werken dieser Art in Polen. Im Königreich Polen wurden nur Monarchen mit derartigen Grabmälern verewigt. Bislang sind Forscher einhellig davon ausgegangen, dass das Grabmal von Władysław Łokietek nach dem Tod des Königs geschaffen wurde und der Stifter sein Sohn Kasimir der Große war.6 Dies ist jedoch keineswegs sicher, und es lohnt sich, einen Moment darüber nachzudenken. Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Herrscher, der den Thron im Jahr 1320 bestieg (er war zum Zeitpunkt seiner Krönung etwa 60 Jahre alt) und somit ein für damalige Verhältnisse fortgeschrittenes Alter erreicht hatte, im Voraus über seine ewige Ruhestätte und ein geeignetes Grabmal nachgedacht hatte. Die damals (ab 1320)7 laufenden Bauarbeiten an der Kathedrale machten es sogar unabdingbar, dem Monarchen ein angemessenes und würdiges Denkmal zu setzen. Die Elemente des Grabmals wurden also höchstwahrscheinlich zu Lebzeiten des Władysław Łokietek,8 das heißt zwischen 1320 und 1333, angefertigt und nach der Beisetzung des königlichen Leichnams in der Gruft montiert. Der König war also wahrscheinlich an der Errichtung seines Denkmals beteiligt. Władysław Łokietek hat vermutlich auch die Wahl der Begräbnisstätte in der Kathedrale beeinflusst. Sie befindet sich in der ersten (von Osten aus gesehen) Arkade an der Nordseite des Presbyteriums. Dieser Standort des Grabmals hatte mehrere Vorteile. Es befand sich direkt neben dem Hauptaltar, das heißt dem Ort, an dem das heiligste Opfer dargebracht wurde, das dem verstorbenen Herrscher die Gnade der Sündenvergebung und des göttlichen Schutzes, die Verkürzung der Qualen des Fegefeuers und somit das ewige Heil sicherte (Abb. 2).9 Die Begräbnisstätte wurde durch eine prächtige Tumba mit einem Baldachin gekennzeichnet.10 Die Form des Grabmals sorgte dafür, dass es im Inneren der Kathedrale gut sichtbar war. Leider ist der Baldachin nicht erhalten geblieben (es sind nur Zeichnungen bekannt, die Fragmente davon zeigen), und die Figur des Herrschers auf dem Grabstein wurde im 17. Jahrhundert (?) beschädigt und später (19. Jahrhundert) erheblich verändert. Auf der oberen Platte des Grabes befindet sich eine frontale, fast vollplastische Darstellung des Königs. Die Figur ist leicht s-förmig. Die Füße des Herrschers sind auf eine Konsole gestützt, und sein Kopf ruht auf einem Kissen. Łokietek ist in einer langen, gegürteten Tunika dargestellt, über der er einen langen Umhang trägt, der mit schildförmigen Spangen in Höhe der Schlüsselbeine befestigt ist. In seiner linken Hand hält er einen Reichsapfel, in der rechten ein Zepter (nur der Schaft ist erhalten). Ein Schwert, das einem Hackbeil ähnelt (infolge Beschädigungen), wird mit der linken Hand gegen seine linke Seite gedrückt und zeigt mit der Klinge nach unten. An seiner rechten Seite trägt der Herrscher einen Dolch. Eine Krone mit barocken Zügen (Ergebnis moderner Eingriffe) krönt die Schläfen des Monarchen. Sein Gesicht mit leicht geschwollenen Zügen wird durch einen dichten Schnurrbart ergänzt (Abb. 10). Die Seitenwände der Tumba sind durch spitze Arkaden geteilt, die mit Maßwerken geschlossen sind. Sie zeigen Darstellungen der Teilnehmer an der Beerdigungsliturgie. Die kürzeren (östlichen und westlichen) Wände stellen den Klerus dar: Die westliche Wand zeigt einen Bischof im Pontifikalgewand, der aus einem aufgeschlagenen Buch liest, das von einem Diakon gehalten wird (Abb. 9). / 1 / Grabmal von König Władysław Łokietek (gest. 1333) in der Krakauer Kathedrale, Muzeum Historyczne Miasta Krakowa Grabmal von König Władysław Łokietek in der Krakauer Kathedrale / Detail aus Abb. 2
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