Leseprobe

2021 jährte sich zum 150. Mal die Gründung des Deutschen Kaiserreichs, das von 1871 bis 1918 bestand. In diesen Zeitraum fällt die durch unvorstellbare Dynamik forcierte Formung des Gemeinwesens der Stadt Chemnitz zur sächsischen Industriemetropole: Mit 100 000 Einwohnern im Jahr 1883 überschritt die Kommune die formelle Grenze zur Großstadt – bis kurz nach der Jahrhundertwende kamen jeweils im Zehn-JahresSchritt weitere 100000 Einwohner dazu. Chemnitz wurde Boomtown. Eine prächtige City entstand. Die Randbezirke wurden sowohl von dicht besiedelten Arbeiterquartieren als auch von luxuriösen Wohngebieten für die privilegierteren Schichten in Besitz genommen. Unter anderem mussten Wirtschaft, Politik, Verwaltung, Infrastruktur und Architektur mit dem starken Wachstum Schritt halten. Die Kaiserzeit war somit eine der prägendsten Epochen in der Geschichte der Stadt Chemnitz, die schließlich mit dem Ersten Weltkrieg eine drastische Wendung ins Negative erfuhr. 15 Autorinnen und Autoren beleuchten mit ihren Beiträgen die Vielfalt der gesellschaftlichen und kulturgeschichtlichen Entwicklung in Chemnitz. Eine Vielzahl bislang unveröffentlichter historischer Fotografien, aufwendig bemalter Schützenscheiben, großer Damenroben und bunter Uniformen lassen das Bild der Menschen in den Straßen der Stadt noch einmal aufscheinen und vermitteln bis heute ein lebendiges Zeugnis des bürgerlichen Fortschrittsdiskurses der Zeit. Der Jubiläumsband bietet mit dem breiten Spektrum von Objekten aus der Sammlung des Schloßbergmuseums einen Einblick in das Lebensgefühl jener Jahrzehnte. Schloßbergmuseum SANDSTEIN 9 783954 987788 Das Heilige Grab der Chemnitzer Stadtkirche St.Jakobi, entstanden an der Wende vom 15.zum 16.Jahrhundert,diente bis zur Einführung der Reformation als »Kulisse« für geistliche Schauspiele, als bildhafte Veranschaulichung von Passion und Auferstehung Jesu Christi.Danach abgeräumt und beiseitegestellt,befindet es sich seit dem 19.Jahrhundert in musealer Verwahrung. Es gehört zu den herausragenden Objekten der sächsischen Kirchenausstattung. Mehr noch: In der spezifischen Ausbildung als gewaltiger hölzerner Prunkschrein verkörpert es eine seltene Erscheinungsform, die – außer in Chemnitz – nur an wenigen Stätten erhalten geblieben ist: in Zwickau, Salzburg und Esztergom. Dem Heiligen Grab aus der Chemnitzer Jakobkirche kommt daher internationale Bedeutung zu. Trotz dieser herausragenden kunst- und kulturgeschichtlichen Bedeutung stand es bislang nur am Rand der wissenschaftlichen Auseinandersetzung. Ein prominent besetztes Kolloquium im Mai 2022 rückte das wertvolle Objekt erstmals in seinen europäischen Kontext und damit auch in den Gesichtskreis einer größeren Öffentlichkeit. Der vorliegende Tagungsband vereint Beiträge von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unterschiedlicher Disziplinen. Entsprechend vielgestaltig ist das Spektrum der Fragestellungen, unter denen der Themenkomplex »Heilige Gräber« beleuchtet wird. Die reich illustrierten Beiträge bieten zusammenfassend einen instruktiven Einblick in dieses spannende Kapitel mittelalterlicher Kunst-, Kultur- und Frömmigkeitsgeschichte in Sachsen, Deutschland und Europa.

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