15 Im 16. Jahrhundert strukturierte sich die Dynastie der Schwarzburger neu. Eine entscheidende Konstellation trat in der Regierungszeit des Grafen Günther XL. (1499–1552, reg. ab 1525/26) ein, der durch Erbschaften (1537/38) alle schwarzburgischen Territorien mit Ausnahme der Herrschaft Leutenberg vereinigte und deswegen mit dem Beinamen »Günther der Reiche« bedacht wurde. Diese Situation brachte eine für die Schwarzburger unübliche Konzentration von Besitz und Macht mit sich. Die nächste Generation fand ihren Protagonisten in dem in Arnstadt residierenden Grafen Günther XLI. (1529–1583, reg. ab 1552), der aufgrund seiner kriegerischen Unternehmungen für Kaiser und Reich den Beinamen »Bellicosus« erhielt. Er war wie kein anderer Schwarzburger in die Elite des europäischen Hochadels integriert, leistete Kriegsdienst für Kaiser Karl V., Kaiser Maximilian II., König Philipp II. von Spanien, König Friedrich II. von Dänemark und stand Wilhelm I. von Oranien, mit dem er verschwägert war, persönlich nahe. Die Präsenz der Schwarzburger im Alten Reich dürfte in der Frühen Neuzeit nie so stark gewesen sein wie in den Jahrzehnten, in denen er die Dynastie repräsentierte. Zu einer entscheidenden Weichenstellung kam es 1599. Da von den vier Söhnen von Günther XL., die in Arnstadt, Sondershausen, Frankenhausen und Rudolstadt residierten, nur zwei über Nachkommen verfügten, wurde eine Erbteilung vorgenommen, bei der sich die Linien SchwarzburgSondershausen und Schwarzburg-Rudolstadt herausbildeten. Aufgrund der damit verbundenen Zuordnung von Territorien, die im Wesentlichen bis Anfang des 20. Jahrhunderts gültig blieb, verfügten beide Grafschaften und spätere Fürstentümer fortan über je eine »Unterherrschaft« und eine »Oberherrschaft«. Die »Unterherrschaften« mit Sondershausen und Frankenhausen als Residenzen lagen in Nordthüringen, die »Oberherrschaften« mit Arnstadt und Rudolstadt im südlichen Thüringer Becken und am Thüringer Wald. Von 1599 bis 1909 regierten in SchwarzburgSondershausen Grafen bzw. Fürsten aus acht Generationen. Die jeweiligen Protagonisten werden in den folgenden Beiträgen im Zusammenhang mit den ihnen archivalisch zuzuordnenden Glasbeständen kurz charakterisiert. Eine besonders markante Epoche in der Kulturgeschichte von Schwarzburg-Sondershausen war die 50-jährige Regierungszeit des Grafen und späteren Fürsten Christian Wilhelm (1647–1721, reg. ab 1667/1670). Einen Höhepunkt fand diese Epoche 1697 in der von den Schwarzburgern langfristig und beharrlich betriebenen Erhebung ihrer Dynastie in den Reichsfürstenstand. Die Fürstung war ein großer Erfolg bei der Etablierung einer reichsständischen, von den Wettinern unabhängigen Landesherrschaft. Die Schwarzburger verstanden sich, da sie u.a. über Reichslehen verfügten, als Reichsstand, wogegen die Wettiner, von denen die Schwarzburger ebenfalls lehnsabhängig waren, vorgingen. Die wichtigsten Zeugnisse der Geschichte der Schwarzburger sind heute die ehemals schwarzburgischen Schlösser, insbesondere das Stammschloss Schwarzburg, die Heidecksburg in Rudolstadt und als Hauptsitz der Sondershäuser Linie das Residenzschloss in Sondershausen (Abb. 1),2 das für eine mehr als 700-jährige Bautradition steht. Günther XL. (Abb. 3) ließ das Sondershäuser Schloss von 1533/34 bis Mitte der 1550er Jahre errichten (Südflügel, Ostflügel, Nordflügel), wobei der Hausmannsturm der zuvor existierenden Burg (um 1300) – umgebaut zum Schlossturm – in die neue Anlage übernommen wurde. Unter dem Fürsten Christian Wilhelm (Abb. 4) wurden in den 1690er Jahren der Süd- und Ostflügel, unter dem Fürsten Günther I. (1678–1740, reg. ab 1720/21) in den 1720er Jahren der Nordflügel umgebaut. Fürst Christian Günther (1736–1794, reg. ab 1758) (Abb. 5) erweiterte in den 1760er Jahren das bestehende Schloss durch den Neubau des Neuen Nordflügels und des Westflügels um das Doppelte zu einer unregelmäßigen Vierflügelanlage. 1837 bis 1852 wurde ein vom Fürsten Günther Friedrich Carl II. (1801–1889, reg. 1835–1880) initiierter teilweiser Umbau des Schlosses im spätklassizistischen Stil realisiert, bei dem u. a. das monumentale Ensemble von Schlossterrasse, -treppe und -wache entstand. Besonders charakteristisch ist für Schloss Sondershausen die beispielhafte Präsenz von historischen Raumfassungen und einschlägigen Befunden vom 16. bis ins frühe 20. Jahrhundert. Höhepunkte sind das manieristisch stuckierte Gewölbe am Wendelstein (1616) im Schlossturm, der in den 1690er Jahren entstandene Riesensaal im zweiten Obergeschoss des Südflügels und zahlreiche barock dekorierte Räume aus derselben Ausstattungsphase, der Festsaal im Westflügel (um 1770), das Steinzimmer und das Römische Zimmer im Neuen Nordflügel (1770er Jahre) sowie unter den spätklassizistischen Räumen im Westflügel das Vestibül, das Maurische Zimmer und der Marmorsalon (um 1850). Aus der Stellung der Schwarzburger im Alten Reich und insbesondere in Mitteldeutschland und ihrem daraus resultierenden Anspruch auf Repräsentation ergab sich auch, dass sie Kunstwerke erwarben, Kunst und Kunsthandwerk sammelten und Künstler förderten. In Ausstellungen und Publikationen wird diesbezüglich immer wieder u. a. auf Bildteppiche, Gemälde, Ostasiatika, altes europäisches Porzellan und Glas hingewiesen. Glas trat mit dem Epochenwandel zur Frühen Neuzeit neben zahlreichen anderen Materialien, Innovationen und Themen ins Blickfeld der höfischen Kultur.3 Es wurde an den Höfen als Gebrauchsgut genutzt, aber auch als Gegenstand der Repräsentation benötigt und bewundert. Das Spektrum reichte vom einfachen alltäglichen Trinkgefäß über Glas für spezielle Verwendungen – z. B. in Apotheken, alchemistischen Laboren und opAbb. 2 Günther XXI. von Schwarzburg (1304–1349) Grabmal im Dom St. Bartholomäus in Frankfurt am Main, Gemälde von 1716 Schlossmuseum Sondershausen (Kb 273)
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