73 den und [. . .] zum lustre des gantzen Hochfürstlichen Hauses und Dero Land und Leuten gedeylich bis an Dero theuresten Lebens-Ende weiter glücklich«15 fort. Wenn der Regierungswechsel von 1720 auch formal korrekt verlief, muss die Stimmung bei Hofe doch angespannt gewesen sein, lag doch der noch zu Lebzeiten Christian Wilhelms vollzogenen Huldigung an Günther neben der Rücksichtnahme auf den Gesundheitszustand des alten Fürsten auch ein taktisches Kalkül zugrunde. Die Etablierung des Nachfolgers war in diesem Fall mit einer staatsrechtlich relevanten Veränderung – der Einführung der Primogenitur – verbunden. Diese war den Schwarzburgern mit der Erhebung in den Fürstenstand (1697) und dem Erbfolgevertrag zwischen Schwarzburg-Sondershausen und SchwarzburgRudolstadt (1713) auferlegt worden.16 Da die sich damit abzeichnende Regelung jedoch innerhalb der fürstlichen Familie umstritten war, hatte es sich empfohlen, den nach den Konditionen der Primogenitur einzusetzenden Regierungsnachfolger noch in Anwesenheit und mit ausdrücklicher Billigung Christian Wilhelms zu etablieren. Dem »Überangebot« an männlichen Nachkommen in Sondershausen hatte das absehbare Erlöschen der Linie Schwarzburg-Arnstadt gegenübergestanden, da Anton Günther II., Christian Wilhelms in Arnstadt residierender Bruder, 1716 verstorben war, ohne männliche Nachkommen zu hinterlassen. Dies hatte den Ansatz zu einer grundsätzlichen Neuordnung der Erbfolge im Fürstentum vereinfacht, weshalb Christian Wilhelm noch 1716 ein Testament verfasst hatte,17 in dem er seinen ältesten Sohn Günther zum alleinigen Nachfolger bestimmte. Günthers Halbbrüdern war eine standesgemäße Versorgung durch Apanagen und die Bereitstellung von angemessenen Residenzgebäuden zugesichert worden. Obwohl die Einführung der Primogenitur eine zeitgemäße Veränderung war, die sich für die weitere Entwicklung des Fürstentums als positiv erweisen musste, fand sie doch nicht bei allen Betroffenen Anklang. Insbesondere die älteren unter Günthers Halbbrüdern, die in der Erbfolge unmittelbar hinter ihm rangierten, haderten mit der absehbaren Einführung der Primogenitur und versuchten, diese durch Einflussnahme auf ihren Vater zu verhindern. Durch die 1720 von Christian Wilhelm angeordnete Huldigung an Günther sollte die Primogenitur staatsrechtlich korrekt, aber noch zu Lebzeiten des alten Fürsten und unter dessen formaler Kontrolle etabliert werden. Der Historiker Heydenreich bemerkte hierzu 1743: »Seinem ältesten Herrn Sohn, Fürst Günthern übergab er [Christian Wilhelm] noch bey seiner Lebens-Zeit, zu mehrerer Bekräftigung des eingeführten Primogenitur-Rechts, die Regierung, und ließ ihm durch sein Land huldigen, was am 20ten Aprilis 1720 geschahe.«18 Christian Wilhelms Vita hob zur Huldigung vom 20. April 1720 hervor, dass dieser Akt »auch mit gutwilliger Zufriedenheit der anwesenden Fürstlichen Herren Gebrüder«19 stattgefunden habe. Demzufolge müssen die fünf Halbbrüder Günthers bei der Huldigung anwesend gewesen sein, womit sie den Vorgang bei Hofe offiziell akzeptiert hatten. Von 1721 an wurde die familienintern umstrittene Neuerung zum ersten Mal praktiziert, da Günther nun »die Landes-Regierung auf Fürst-Väterlichen Befehl [...] gäntzlich«20 zugefallen war. Günther erwies sich als ein in der schwierigen Situation geeigneter Regent. Er regierte klug und verantwortungsbewusst. In den zwei Jahrzehnten seiner Regierungszeit wurde er zum vorbildlichen, weithin beliebten »Landesvater«. Diese Wertung der Dynastiegeschichtsschreibung wird heute gern übernommen, sehr wahrscheinlich nicht zu Unrecht. Im Rahmen seiner Epoche war Günther ein aufgeklärter Regent. Als Bauherr ließ er den Nordflügel des Sondershäuser Schlosses umbauen und dabei die Schlosskapelle neu ausstatten, das Jagdschloss »Zum Possen« bei Sondershausen errichten und Residenzen für seine als apanagierte Prinzen abzufindenden Halbbrüder bauen bzw. herrichten. In Arnstadt entstand das Fürstliche Palais als Wittumssitz für seine Gemahlin Elisabeth Albertine. Günther sammelte Kunst, insbesondere Gemälde, Porzellan, Glas, Ostasiatika, und förderte Künstler. Zehn Jahre lang stand der Maler Johann Alexander Thiele (1685–1752) in seinem Dienst.21 Trotz der unbestreitbar korrekten Regelung der Erbfolge und ihrer Etablierung schwelte der Konflikt in der fürstlichen Familie weiter und personalisierte sich vor allem in Heinrich, dem ältesten der fünf Halbbrüder des Erbprinzen, der sich als Sohn einer gebürtigen Weimarer Herzogin seinem Halbbruder Günther, der »nur« der Sohn einer Gräfin von Barby war, herkunftsbedingt überlegen wähnte. Heinrich verließ Schwarzburg-Sondershausen und ging von nun an seine eigenen Wege. DIE INVENTARISIERUNG VON 1720/21 In einem Kodizill vom 19. Februar 1720 ergänzte Christian Wilhelm sein Testament von 1716 durch einige Verfügungen. Eine der hier getroffenen Festlegungen betraf die »Schenklade, und was im Keller Von dergleichen Kleinodgeschirr und Antiquitäten alhier sich findet«.22 Damit richtete der Fürst den Blick auf die Regelung seines Nachlasses an Mobilien. Der Wert dieser Quelle für die Bestandsgeschichte, u. a. die des Glases, hält sich jedoch in Grenzen, werden die betroffenen Bestände hier doch nur summarisch genannt. Im Zusammenhang mit der Übergabe der Regierungsgeschäfte an Günther und dem ein Jahr später eintretenden Tod Christian Wilhelms fand die in einer solchen Situation übliche Inventarisierung der im Schloss befindlichen Mobilien statt. Ein umfangreiches Nachlassinventar, das existiert haben muss, ist nicht überliefert. Nachweisbar sind nur bescheidene Vor- bzw. Zuarbeiten zu einem solchen. Hierzu gehört ein mit »Nr. 15« bezeichnetes Inventar der Gläser in der Schenklade des Erbprinzen, das am 24. April 1720, also unmittelbar nach der Ernennung Günthers zum Mitregenten, erstellt wurde.23 Zudem ist ein mit »Nr. 20« überschriebenes Inventar von in der Hofküche befindlichen Gegen-
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