147 Abb. 5 Stangengläser erneut in der Benutzung anlässlich des 60. Geburtstags von Fürst Günther Viktor 1912 lich ungewöhnlichen Ausmaße zeigte ein Vergleich schnell, dass es sich nicht um denselben Typus handelt. In der Beschreibung des Münchener Glases fanden sich interessanterweise zwei Hinweise auf Vergleichsobjekte, darunter zwei mehr als 2 Meter hohe Riesenflöten der Dresdner Kunstsammlungen, die jedoch als verloren gelten,14 sowie der Hinweis auf ein sehr hohes Stangenglas, das im Lübecker St. Annen-Museum aufbewahrt wird. Eine Nachfrage in Lübeck ergab allerdings, dass es sich leider mitnichten um ein vergleichbares Objekt handelt, sondern vielmehr um ein 50 Zentimeter hohes zylindrisches Stangenglas blauer Farbe mit Diamantriss, das in Hall (Tirol) um 1580 gefertigt wurde.15 Die passendste Bezeichnung für die außergewöhnlich hohen Gläser ist nicht einfach zu wählen. In Abstimmung mit den Autoren der vorliegenden Publikation und in Anlehnung an den im Gießener Glasprojekt verwendeten Terminus wurde der Begriff des Stangenglases gewählt. Auch wenn hiermit gemeinhin schlanke und einigermaßen zylindrische Gläser beschrieben werden,16 treten in der Renaissance- und Barockzeit auch keulenförmige und nach oben sich ausweitende Exemplare auf.17 Die Streckung des Gefäßkörpers ist eine Entwicklungstendenz aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Um 1500 traten im Rheinland hohe zylindrische Stangengläser auf, die mit Nuppen (Tropfenauflagen) besetzt waren. Dieses Dekor zierte bereits in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts sehr hohe, schlanke und leicht konische Trinkgläser, die als »flötenförmiger Typ« (oder »Böhmische Becher«) bezeichnet wurden.18 Hohe, schlanke Flötengläser erfreuten sich dann seit dem 17. Jahrhundert großer Beliebtheit,19 wobei sie archivalisch auf deutschem Boden zunehmend ab dem beginnenden 18. Jahrhundert belegt sind.20 Die Sondershäuser Gläser wurden, wie bereits erwähnt, in früherer Zeit auch als Flötengläser angesprochen. Da ihre Form sich nach oben gehend verbreitert, ist diese Assoziation naheliegend. Die Suche nach vergleichbaren Gläsern musste sich deshalb zwangsläufig auf beide Bereiche – Stangen- und Flötengläser – erstrecken. Somit ist auch Hinweisen auf Flötengläser nachgegangen worden, die in der Literatur als besonders groß bezeichnet werden. Im Bayerischen Nationalmuseum wird beispielsweise ein 31,1 Zentimeter hohes Flötenglas aufbewahrt, das mit einigen Unsicherheiten auf die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts datiert wird. Seine »extrem lange und schmale konische Kuppa« zeichnet das Objekt als »Flöte« aus.21 Als klarer Unterschied zu den Sondershäuser Gläsern ist jedoch der Doppelbalusterschaft zu erwähnen, denn die Son-
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