Leseprobe

159 Eine auffallend große, ja kaum überschaubare Anzahl von Trinkgläsern mit erotischen1 Anspielungen, die wie in keiner anderen Zeit insbesondere in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in vielen deutschen Regionen entstanden, hat sich bis heute in musealen und privaten Sammlungen erhalten. Dabei sei nicht vergessen, dass nicht wenige Gläser mit Dekorationen frivolen Inhalts aus sittlichen Gründen im 19. Jahrhundert vernichtet wurden.2 Im Bestand des Schlossmuseums Sondershausen haben sich zwei gläserne Pokale erhalten, die mit einer in die Oberfläche geschnittenen bildlichen Szene und einer beigefügten Inschrift selbst dem heutigen Betrachter und Leser nicht allzu viel Fantasie bei deren Deutung abverlangen. Für den auf diesem Feld geübten Menschen des Barock war die beabsichtigte Zweideutigkeit in der Aussage ohnehin sofort verständlich. Das erste Glas, ein in Thüringen geschnittener Pokal aus der Zeit um 1720 bis 1740, zeigt auf einem Landschaftssockel ein springendes, geschecktes Pferd (Abb. 1).3 Es handelt sich um eine Tigerschecke, eine aufgrund ihrer auffälligen Färbung – dunkle Flecke auf weißem Grund – damals begehrte Pferderasse. Auf der Gegenseite der Kuppa sind die Worte »VIVAT Aller braffen Schäcken mit weißen bäuchen und schwartzen fläcken« eingeschnitten. Abb. 1 Pokal mit Darstellung einer Tigerschecke Thüringen oder Hessen, Schnitt Thüringen, 1720/1740, Detail Schlossmuseum Sondershausen (Kg 9), Kat. 178 ro

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