188 Regierungsjubiläum und Heimatfest 1905 derne, Distinktion und Massengesellschaft. Bezeichnenderweise gelangten die Gläser auch nicht aus dem Nachlass der in Sondershausen residierenden Fürsten in die Sammlung, sondern wurden erst vom Museum von verschiedenen Privatleuten erworben.1 Dennoch ist ihr Bezug zum Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen offenkundig, wird er doch von den Objekten selbst hergestellt. Die drei Gläser haben die Form von einfachen, hohen, sich nach oben leicht weitenden Bechern. Die relativ dicken Böden verleihen den leichten, dünnwandigen Gefäßen eine gewisse Standfestigkeit. Das Material ist klar, aber nicht ganz blasenfrei. Auch ist die Oberseite der Böden uneben und einer der Becher gestaucht und daher im Querschnitt leicht unrund. Die beiden an der Öffnung 6,9 Zentimeter durchmessenden Gläser besitzen einen Goldrand, der dem mit 5,9 Zentimetern etwas schlankeren, dritten Glas fehlt. Das mattsilbrig-graue, nicht überall fehlerfreie Dekor zeigt auf der Vorderseite (Abb. 2) im Zentrum zwei ovale Medaillons mit einander zugewandten Bildnissen von Fürst Karl Günther von Schwarzburg-Sondershausen und seiner Gemahlin Marie im Profil. Ein florales Ornament trennt die beiden Medaillons, während ein Ring die drei Elemente wiederum zusammenbindet. Zwei Zweige mit Eichenlaub und Eicheln, zusammengehalten durch eine Schleife, rahmen diese Darstellung links und rechts, während ein gefälteltes Band, überragt von einer Krone, den oberen Abschluss bildet. Dieses Band trägt die Inschrift »ZUM 25 JÄHR. REGIERUNGS JUBILÄUM«. Sie findet im darunter gelegenen Freiraum mit »SR. DURCHLAUCHT/ DES FÜRSTEN VON / SCHWARZBURG-SONDERSHAUSEN / 1880–1905« ihre Fortsetzung. Auf der Rückseite (Abb. 3) der breiteren Gläser ist ein sich über einem zweistufigen Podest erhebender Felsen dargestellt. Dieser wird von flankierenden Figuren gestützt und trägt eine weitere Figur, die ihre Hände in die Höhe hebt. Darunter ist zu lesen: »Andenken an das Heimatsfest / Sondershausen 1905.« Der schlankere Becher entbehrt dieses Rückendekors. Waagerechte Linien mit entsprechenden Beischriften – »¼ L.« bzw. »0,2 L« – am oberen Rand der drei Gefäße markieren zudem das Schankmaß. Die einzelnen hier aufgeführten Elemente der drei Gläser (das Glas, das Dekor, der Goldrand, das Schankmaß), die Angaben, die die Inschriften zu ihrem Kontext liefern (das Regierungsjubiläum, das Heimatfest), ihre Ikonografie (die Bildnisse, die Krone, das Eichenlaub, das Denkmal) sowie ihre inschriftlich angedeutete Funktion (das Andenken) sollen daraufhin untersucht werden, wie sich das beginnende 20. Jahrhundert mit all seinen eingangs erwähnten Widersprüchen in ihnen spiegelt. DAS GLAS Im 19. Jahrhundert kamen sowohl traditionelle als auch schon moderne, halb- und vollautomatische Verfahren für die Fertigung von Hohlglas zur Anwendung.2 Für einen auf herkömmliche Weise hergestellten, »ofengeformten« Becher blies der Glasmacher, der sehr geübt sein musste, die an der Pfeife haftende Glasmasse auf. Schwingen des Glaspostens während des Aufblasens längte ihn weiter, Aufschlagen auf einer Platte bzw. Flachdrücken mittels eines geeigneten Werkzeugs erzeugte einen flachen Boden. Das Absprengen des oberen Teils der Blase mit anschließendem Verwärmen am Ofen erzeugte die Öffnung des Gefäßes.3 Bei der Formarbeit blies der Glasmacher den ebenfalls vorgeformten Glasposten unter schnellem Drehen in eine sich konisch weitende Form aus Holz, Gusseisen oder Messing.4 Dies konnten auch weniger geübte Arbeiter erledigen. Abb. 2 Erinnerungsglas zum 25-jährigen Regierungsjubiläum Vorderseite Schlossmuseum Sondershausen (Kg. 480), Kat. 62
RkJQdWJsaXNoZXIy MTMyNjA1