19 Unter den Nationalsozialisten kam vor allem ab 1942 mit dem nun stockenden Vormarsch der Wehrmacht ein weiterer Aspekt hinzu: Die Haftarbeit musste vor allem der Kriegswirtschaft dienen. Der erzieherische Gedanke trat in den Hintergrund, die Ausbeutung in den Vordergrund. Das schlug sich naturgemäß auch im normativen Rahmen für die Gefangenenarbeit nieder. Die Strafvollzugsbehörden konnten schon ab Kriegsbeginn nicht mehr allein über die Beschäftigung ihrer Gefangenen bestimmen, was sie noch im März 1937 angestrebt hatten.10 »Arbeit ist eines der wesentlichsten Hilfsmittel eines erfolgreichen Strafvollzuges. Die Arbeit gibt zugleich dem Verurteilten Gelegenheit, seinen Willen zur Besserung und inneren Umstellung durch andauernde besondere Leistungen zu beweisen«, hatte der damalige Staatssekretär und spätere Oberreichsanwalt Dr. Roland Freisler zwar noch 1938 an die Oberstaatsanwälte geschrieben.11 Ein Runderlass des Reichsjustizministeriums an die Generalstaatsanwälte vom Herbst 1939 – nach Kriegsausbruch – wies nun jedoch hinsichtlich der Arbeitsbedingungen an: »Jedem Strafgefangenen und Verwahrten ist ausschließlich volkswichtige Arbeit zuzuweisen. Selbstbeschäftigung ist nicht zu gestatten. Die tägliche Arbeitszeit wird [inklusive Pausen] bei Zuchthaus, schwerem Kerker von mehr als einem Jahr und Sicherungsverwahrung auf zwölf Stunden, im Übrigen auf elf Stunden erhöht. Jede Arbeitsverweigerung, Faulheit und schuld3 Rundschreiben des Generalstaatsanwalts beim Oberlandesgericht Dresden Dr. Jung über die Umbenennung der besonderen Vollzugsanstalten vom 17.7.1936 infolge der Verfügung des Reichsministers der Justiz vom 3.7.1936, in: Sächs. StA, Bestand 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 83 Generalakten/Strafvollzug im Allgemeinen, Bl. 1. 4 Rundschreiben des Generalstaatsanwalts beim Oberlandesgericht Dresden an die Justizbehörden des Bezirks vom 9.10.1939 betr. künftige Bezeichnung der Vollzugsbehörden in Bautzen, Zwickau und Hoheneck, in: Sächs. StA, Bestand 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 80 Generalakten/ Strafvollzug im Allgemeinen, Bl. 55. 5 Rundschreiben des Generalstaatsanwalts beim Oberlandesgericht Dresden an die Justizbehörden des Bezirks vom 19. 3. 1941 über die Rundverfügung des Reichsjustizministers vom 13. 2. 1941, in: ebd., Bl. 209. 6 Bericht des Strafgefängnisses, Jugendgefängnisses und der Untersuchungshaftanstalt Bautzen vom 9. 8. 1944 betr. Arbeitseinsatz bei den Elbtalwerken an den Generalstaatsanwalt bei dem Oberlandesgericht Dresden Dr. Jung, in: Bundesarchiv (BArch), Bestand 3001 Reichsjustizministerium, Nr. 21429 Generalakten Strafvollzug/Beschäftigung der Gefangenen im Allgemeinen, Bl. 7. 7 Information [Übersetzung aus dem Russischen] über eine Aussprache mit dem ehemaligen Mitarbeiter der Operativgruppe des NKWD der UdSSR in Bautzen Valentin Pawlowitsch Korolewitsch am 6. 2. 1975, in: Bundesarchiv Stasi Unterlagenarchiv (BArch, MfS), HA IX/11 RHE, Nr. V9/62, Bd. 88 (alt: Bd. 7), T. 2 von 2, Bl. 249. 8 Auskunftsbericht [Übersetzung aus dem Russischen] über die Ergebnisse der Sammlung von Materialien, die Bedeutung für die Klärung der Umstände der Ermordung Ernst Thälmanns durch die Nazis haben, in: BArch, MfS, HA IX/11 RHE, Nr. V9/62, Bd. 88 (alt: Bd. 7), T. 1 von 2, Bl. 97–98. 9 Vgl. Wachsmann, Gefangen unter Hitler, S. 422–423, sowie Russig, Strafvollzug. 10 Rundschreiben des Leiters der Strafabteilung des Reichsjustizministeriums Dr. Wilhelm Crohne an den Reichs- und preußischen Arbeitsminister Franz Seldte vom 19. 3. 1937 betr. Feststellungen über die Beschäftigung von Gefangenen. Crohne erteilte hierin Forderungen der dem Arbeitsministerium unterstehenden »Reichstreuhänder der Arbeit« nach »Erhebungen in den Vollzugsanstalten über die Beschäftigung von Gefangenen« eine Absage mit der Bemerkung, dass in einem Bericht des Treuhänders der Arbeit für das Rheinland die Gefangenenarbeit als »Schmutzkonkurrenz« bezeichnet worden war. Vgl. Sächs. StA, Bestand 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 5 Generalakten/Verhältnis der Arbeitsbetriebe und Vollzugsanstalten zur freien Wirtschaft, Bl. 15. 11 Rundschreiben des Staatssekretärs im Reichsjustizministerium Dr. Roland Freisler an die Herren Oberstaatsanwälte vom 14. 4. 1938 betr. Berücksichtigung der Arbeitsleistung im Gnadenverfahren, in: Sächs. StA, Bestand 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 84 Sondergebiete der Strafrechtspflege, Bl. 18.
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