8 Nach der Kapitulation des »Dritten Reiches« gehörte Sachsen zur sowjetischen Besatzungszone. Die Besatzungsmacht wandelte das Gefängnis in ein sogenanntes Speziallager um. Zunächst trug es den Namen Speziallager Nr. 4, nach Auflösung der meisten anderen Lager dieser Art hieß es ab dem 1. Januar 1949 Speziallager Nr. 3. Bis zur Auflösung des Speziallagers im Frühjahr 1950 waren zeitweise über 7000 Häftlinge hier untergebracht. Diese setzten sich aus zwei verschiedenen Gruppen zusammen. Erstens wurden hier, wie in den westlichen drei Besatzungszonen auch, Frauen und Männer ohne Urteil interniert, die entweder als aktive Unterstützerinnen und Unterstützer der Nationalsozialisten oder als gefährlich für die Besatzungsmacht galten. Zweitens waren hier Personen inhaftiert, die von sowjetischen Militärtribunalen (SMT) verurteilt worden waren. Je länger das Lager bestand, desto mehr verschob sich das Häftlingsspektrum. Die Zahl der Lagerinsassinnen und -insassen, welche im Zusammenhang mit der Entnazifizierung und der Absicherung der Besatzungsherrschaft interniert waren, sank. Gleichzeitig stieg die Zahl der Personen, die aufgrund widerständigen Verhaltens gegen die neue gesellschaftliche und politische Ordnung inhaftiert wurden.3 Nach Gründung der DDR im Oktober 1949 übernahm deren Innenministerium die Gefängnisse, für deren Verwaltung die Deutsche Volkspolizei zuständig wurde. Nachdem die sowjetische Besatzungsmacht etwas über 1 100 Häftlinge entlassen hatte, übergab sie das Gefängnis mit 6200 Gefangenen an die Volkspolizei. Da sich die katastrophalen Haftbedingungen nicht verbesserten, erhielt es – offiziell Bautzen I – im Jargon der Häftlinge den Namen »Gelbes Elend«. Schon wenige Tage nach dem Wechsel in deutsche Verantwortung beendete die Volkspolizei im März 1950 einen Gefangenenprotest mit erheblicher Brutalität. Die unverhältnismäßig hohen Belegungszahlen sanken in den folgenden Jahren, vor allem nach Stalins Tod 1953, durch Entlassungen und Verlegungen langsam, bis die Häftlingszahl im Mai 1958 unter 1000 betrug. Auch seit den späten 1950er-Jahren bis zum Ende der DDR saß in Bautzen I, das für die Verbüßung von Strafen bis zu fünf Jahren ausgelegt war, immer ein bedeutender Anteil Häftlinge ein, die wegen politischer Delikte verurteilt waren.4 1989 erzwang eine neuerliche Häftlingsrevolte vorfristige Entlassungen, ein verändertes Haftregime und vor allem eine stärkere Beschäftigung der Zivilgesellschaft in Bautzen mit den Gefängnissen in ihrer Stadt.5 Seit 1990 steht der Komplex – nun als Justizvollzugsanstalt – unter Landesverantwortung. Das zweite der Bautzener Gefängnisse wurde in unmittelbarer Nachbarschaft des Gerichts unweit der Altstadt erbaut. Es diente seit 1906 als Gerichtsgefängnis und galt wegen seiner baulichen Struktur als modern. Mit 203 Haftplätzen wurde es als Untersuchungsgefängnis und Haftanstalt für Gefangene mit sehr kurzen Haftstrafen von teilweise nur wenigen Tagen genutzt. Im April 1923 wurde es der Landesstrafanstalt Bautzen unterstellt. Dieses Verhältnis blieb auch während des »Dritten Reiches« bestehen. Seit 1945 nutzte die sowjetische Besatzungsmacht das Gebäude weiterhin als Untersuchungsgefängnis. Sowjetische Militärgerichte traten im benachbarten Gerichtsgebäude zusammen. Im Juli 1949 wechselte Bautzen II zunächst in den Verantwortungsbereich der sächsischen Justizverwaltung und diente als Untersuchungs-, Durchgangs- und
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