q 12 Markus A. Denzel händler zu den im Safawiden-Reich tätigen europäischen Ostindiengesellschaften bzw. deren Repräsentanten am Hofe von Schah ‘Abbās I. in Isfahan fungierten.19 Ihre schon im 16. Jahrhundert nicht unbeträchtliche Bedeutung im innerpersischen und internationalen Rohseiden-Geschäft vermochten die Neu-Julfaner Kaufleute dadurch und dann nochmals ab 1618/19 auszubauen, als der gesamte persische Rohseidenexport zum ›Kronmonopol‹ des Schahs erklärt (wenn auch nie vollständig durchgesetzt) wurde und sie dieses ›Monopol‹ gleichsam in Regie übernahmen. Sie hatten sich hierfür bei einer Auktion gegen die konkurrierende englische East India Company durchsetzen können, für die zu dieser Zeit »der Handel mit persischer Rohseide eine der tragenden Säulen des Asienhandels«20 war. Obwohl nach ‘Abbās I. Tod 1629 dieses ›Kronmonopol‹ wieder aufgegeben wurde, behielten die Krone und mit ihr die Neu-Julfaner Seidenhändler trotzdem weiterhin große Anteile am Rohseidenhandel, und dies bis in die Zeit der politischen Wirren der 1740er Jahre.21 Die Seidenkaufleute in Neu-Julfa waren – wie auch zuvor in (Alt-)Julfa – in zahlreichen Familien-Handelsgesellschaften22 organisiert, die jeweils vom ältesten männlichen Familienmitglied (Khodjah23) der patriarchalischen, bis zu mehreren hundert Personen umfassenden Großfamilie geleitet wurden. Der hohe Grad an sozialer Kontrolle, das wechselseitige Vertrauen und die Konzentration des Kapitals innerhalb einer Großfamilie sowie die Reduktion der Transaktionskosten und des hohen Risikos im Fernhandel durch ein innerfamiliäres Agentensystem (s. u.) sicherte den Bestand die Familienunternehmen oft über Jahrhunderte.24 Die armenische ›Gemeinde‹ von NeuJulfa war und blieb dabei sehr eigenständig, so dass es auch für andere Armenier kaum möglich war, dort vollwertiges Mitglied zu werden: »Their letters, books of advice for merchants and the comments of European travellers, all testify to the closed and tight-knit character of Julfan society.«25 – Im 17. und 18. Jahrhundert lebten in Neu-Julfa zwischen 10 und 30 000 Personen, von 19 Van Rooy, Armenian Merchant Habits, S. 347; Troebst, Isfahan – Moskau – Amsterdam, S. 183. 20 Weindl, Wer kleidet die Welt?, S. 109. 21 Herzig, The Iranian Raw Silk Trade, S. 82–84; Floor, Silk Trade, S. 324; Ganjalyan, Diaspora und Imperium, S. 62; Aghassian/Kévonian, The Armenian Merchant Network, S. 87. 22 Die in der älteren Literatur und noch von Baghdiantz-MacCabe, The Shah’s Silk, S. 10, 204, 241–261, sowie von Baibourtian, International Trade, S. 152, 160, 163 f., 167 f., 177 f., 180, 183, 187, vertretene Ansicht, die armenischen Seidenkaufleute seien in einer den westeuropäischen Ostindiengesellschaften vergleichbaren gemeinsamen Handelsgesellschaft organisiert gewesen, kann inzwischen als widerlegt gelten. Bekius, The Armenian Colony, S. 280, »found no evidence supporting McCabe’s hypothesis of the existence of a centrally-led Armenian trading company, based in Julfa in the Safavid period, directed by a board of directors comparable to western trading companies«. Diese überholte Forschungsmeinung beruhte auf einem Übersetzungsfehler aus dem Armenischen ins Russische im Handelsvertrag zwischen Zar Alexei Michailowitsch und armenischen Handelsgesellschaften von 1667 (s. u.); Khatschikjan, Der armenisch-russische Handelsvertrag, S. 154 f.; ders., Typology of the Trading Companies, S. 4; Ganjalyan, Diaspora und Imperium, S. 65. Vgl. Aslanian, The Circulation of Men and Credit, S. 146 f. 23 Khodjah (oder Chodjah) ist eine Art Ehrentitel für einen wohlhabenden, (erfolg)reichen Handelsherrn, in der Anrede vergleichbar mit dem englischen »Sir«, der hier aber nicht als Adelstitel verstanden werden darf (dies wäre dann Aga); Bournoutian, The Armenian Community, Part I, S. 30. Vgl. auch Korsch, The Sceriman between Venice and New Julfa, S. 365. 24 Ganjalyan, Diaspora und Imperium, S. 63 f.; Aslanian, Indian Ocean, S. 166–185. Auch nach Mauro, Merchant Communities, S. 273, waren Hauptgründe für den Erfolg der Armenier: »a great sense of solidarity based on kinship ties or marriage and on contractual relations, especially relations of trust, which did not exclude recourse in case of disputes to an informal system of arbitration and, more rarely, to systems of local justice«. Vgl. Troebst, Mittelmeer und Ostsee. 25 Herzig, Borrowed Terminology and Shared Techniques, S. 448.
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