Leseprobe

Das armenische Kaufmannshandbuch des Łukas Vanandec‘i (Lukas von Vanand) von 1699 45 q deling.229 Überhaupt war Amsterdam im 17. Jahrhundert ein Zentrum der Druckerei, und dies nicht nur für kommerzielles Schrifttum, sondern auch für den armenischen Buchdruck. In armenischer Sprache und Schrift entstanden hier die erste gedruckte Bibel sowie mehr als 80 Bücher – zum Teil in Auflagen von bis zu 3 000 Exemplaren – und Karten,230 darunter eben auch Kaufmannshandbücher wie das von Lukas von Vanand. Das Kompendium von Lukas von Vanand ist nach der hier gewählten Begrifflichkeit ein typisches Kaufmannshandbuch dieser Zeit, das weder von der Qualität und der Quantität der Informationen noch von der geographischen Reichweite zeitgenössischen westeuropäischen Kaufmannshandbüchern nachsteht. Im Gegenteil: Anders als die westeuropäischen Handbücher, die bis in das ausgehende 18. Jahrhundert außereuropäische Länder und Städte so gut wie nicht verzeichneten,231 bezieht Lukas von Vanand zahlreiche asiatische und – in geringerem Umfang – afrikanische Länder und Städte mit ein. Nichtsdestoweniger ist das Buch hinreichend allgemein, um der armenischen Kaufmannschaft in Neu-Julfa, Amsterdam und darüber hinaus in ganz West- und Südeuropa als Informationsgrundlage zu dienen, und geht weit über ein Notizbuch einer einzelnen Unternehmung hinaus: Lukas von Vanands Kompendium kann als das Kaufmannshandbuch der international agierenden armenischen Kaufmannschaft der Zeit um 1700 gelten. 3.2. Aufbau und Inhalt des Handbuchs des Lukas von Vanand Das Handbuch des Lukas von Vanand wurde erstmals 1975 von Kéram Kévonian 1975 näher analysiert, wenn freilich auch nur in Auszügen.232 Kévonians Beschreibung des Aufbaus des Buches kann auch für die folgenden Ausführungen noch in weiten Teilen herangezogen werden, doch können die einzelnen Abschnitte schärfer konturiert werden, als dies Kévonian – vielleicht auch aus einer gewissen Unkenntnis vergleichbarer europäischer Kaufmannshandbücher heraus – vorgenommen hat. Zunächst unterteilt der Verfasser selbst sein Werk in drei große Kapitel, die allerdings keine Überschriften enthalten und deren Komplexität sich aus den darin abgehandelten Inhalten ergibt. Folgende Kapitelüberschriften lägen nahe: q Gewichte, Münzen und Ellenmaß in den wichtigen Ländern und Handelsplätzen Europas und Asiens q Handelsusancen in Asien, Europa und Afrika q Handelsgeographie und Rechenkunst Diese drei Kapitel decken die wesentlichen Wissensbereiche ab, in denen sich ein armenischer und speziell ein Neu-Julfaer Fernhandelskaufmann um 1700 auskennen musste. Ihr geographischer Einzugsbereich war dabei deutlich weiter gefasst als in zeitgenössischen europäischen Kaufmanns229 V[an] Velden, Fondament van de Wisselhandeling; nach von Stromer, Die oberdeutschen Geld- und Wechselmärkte, S. 28 f., das »Standardwerk über die Usancen aller Bankzentren Europas«; und nach Jeannin, La diffusion de l’information, S. 258, »[le] premier manuel offrant un panorama réellement européen des changes«. Vgl. auch Denzel, »La Practica della Cambiatura«, S. 397–482. 230 Khatschikjan, Der armenisch-russische Handelsvertrag, S. 138 f.; van Rooy, Armenian Merchant Habits, S. 354 f.; Bekius, The Armenian Colony, S. 262 f. – Das auf Bestellung des Armenisch-Apostolischen Katholikats gedruckte und von wohlhabenden Kaufleuten aus dem Safawiden-Reich finanzierte theologisch-religiöse Schrifttum wurde vornehmlich über Smyrna und Anatolien nach Persien transportiert, um dort als Lehrmaterial zu dienen. 231 Vgl. Denzel, Quellengattung, S. 123. 232 Kévonian, Marchands arméniens.

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