Leseprobe

213 q 1 Nach den Osmanisch-Safawidischen Kriegen des 16. und frühen 17. Jahrhunderts wurde Armenien mit dem Vertrag von Qasr-e Schirin2 vom 17. Mai 1639 zwischen dem Iran und dem Osmanischen Reich geteilt. Infolgedessen versteht sich die armenische Geschichte der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts als eine Periode des Aufschwungs des armenischen nationalen Befreiungskampfes. Die bekannten armenischen Persönlichkeiten der Zeit waren einerseits um die Bildungs- und Aufklärungsbewegung und andererseits um zuverlässige Unterstützer im Befreiungskampf bemüht. Man suchte diese Unterstützer im Westen, wie es die zeitgenössische internationale Lage vorgab: Die katholischen Länder Europas waren ihrerseits um eine antiosmanische Koalition und um die Integration Russlands und Persiens in diese bemüht.3 Im 17. und 18. Jahrhundert wurden armenische Druckereien in verschiedenen westeuropäischen Städten, unter anderem in Amsterdam, Rom, Mailand, Paris, Livorno, London und Leipzig, gegründet. Die erste armenische Druckerei in Amsterdam wurde 1660 durch die Bemühungen des vom Katholikos Jakob IV. von Julfa (Hakob J̌ułayec‘i, 1655–1680) nach Europa gesandten Anagnosten (dpir) Matthäus von Car (Matt‘eos Carec‘i, 1590–1661) gegründet, in der Woskan von Jerewan (Oskan Erevanc‘i, 1614–1674) 1666 die erste armenische Bibel in den Druck gab.4 1. Die Druckerei der Vanandec‘is und Lukas von Vanand In der Geschichte des armenischen Druckwesens spielte die Amsterdamer Druckerei der Vanandec‘is5 eine wichtige Rolle. Ihr Gründer war Matthäus von Vanand (Matt‘eos Vanandec‘i), ein Schüler von Woskan von Jerewan. Matthäus von Vanand bestellte neue, verbesserte Lettern bei dem berühmten ungarischen Schriftgießer Miklós Misztótfalusi Kis (1650–1702) und gab ein Šaraknoc‘ (Hymnarium, s. u.) heraus. Ab 1694 leitete sein Vetter Thomas Nuriȷ̆anyan von Vanand (Tovmas Vanandec‘i Nuriȷ̆anyan) die Druckerei.6 Er war Bischof des Klosters vom Hl. Kreuz von Goghtn, ein hochgebildeter und patriotischer Gelehrter. Bald schlossen sich ihnen Lukas (Łukas), der Neffe von Thomas Gregor (Grigor), und Michael (Mik‘ayel), ein weiterer Neffe, an. 1679 waren Lukas und Michael in Begleitung ihres Onkels zum Studium nach Wien gekommen, nach Venedig weitergereist und schließlich nach Rom geschickt worden. Lukas schrieb über sich selbst: »Ich, unwürdiger Anagnost Lukas, geboren von Gregor, aus dem Geschlecht von Nuriȷ̆an, ausgebildet7 in Rom.«8 1 Redaktionelle Überarbeitung: Markus A. Denzel, Leipzig. 2 Heute in der Provinz Kermānschāh, Iran. – Auch Vertrag von Zuhab genannt. 3 Diloyan, Hay azatagrakan payk‘arə, S. 15. 4 Kévorkian/Mahé, Le livre arménien; Lane, Armenian Printing; Devrikyan, Voskan Vardapet Yerevantsi; DrostAbgarjan/Pehlivanian, Schriftkunst und Bilderzauber. 5 Vanand ist ein Dorf des Bezirkes (gavar) Goghtn der Provinz Vaspurakan von Großarmenien. Heute in der Autonomen Republik Nachitschewan, Aserbaidschan; Melik-Bakhshyan, Art. »Vanand«, S. 753. – Das Suffix -(e)c‘i verweist in Verbindung mit einem geographischen Namen auf die Abstammung aus diesem Ort. 6 Aslanian, The »Quintessential Locus of Brokerage«. 7 Arm. wörtl.: ernährt (snunds). 8 Vanandec‘i, Banali hamataraci, S. 4.

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