q 214 Anahit Avagyan, Armine Melkonyan und Erna Shirinian1 Der Lexikograph Stephan Roschka von Kamjanez (Step‘anos R˙ošk‘a Kamenic‘ac‘i), eine führende Persönlichkeit der Kultur und Kirche seiner Zeit, berichtete in seinen Annalen, dass die Cousins Nuriȷ̆anyan ihre Ausbildung am Collegium Urbanum9 erhalten hätten; über Lukas schrieb er: »Lukas war belesen und lobenswert in seinem Verhalten.«10 Der armenische Historiker Lēō (A˙rakel Babaxanyan, 1860–1932) merkte an, dass eine solche vorbereitete Person kein Zögling11 der Schulen Armeniens sein könne, denn in seinem Armenisch zeige sich durch latinisierte Formen der Einfluss Roms; Lukas sei durch die erhaltene Ausbildung mehr Geistlicher als Weltlicher geworden.12 Lukas von Vanand nennt sich oft in den Kolophonen seiner eigenen Schriften »unbegabter Akolyth (ȷ̆ahənkal)«. Im kirchlichen Sprachgebrauch ist ein Akolyth ein kirchlicher Amtsträger, der die Kerzen anzündet und während der Stundengebete die Kerzen in der Hand hält. Und auf den Titelseiten und in den Kolophonen seiner Werke nennt er sich auch Anagnost (Lektor; dpir).13 Daher dürfte die Vermutung, dass Lukas als Akolyth den Rang eines Anagnosten innehatte, stimmen.14 Beim Studium in Rom vertiefte er seine Kenntnisse in verschiedenen Sprachen, in Philosophie, Theologie, Geographie, Chronologie, Kartographie und anderen Naturwissenschaften. Das von Lukas von Vanand angefertigte astronomisch-geodätische Astrolab wird wegen seiner Konstruktion und Messpräzision von Spezialisten für eines der besten Instrumente seiner Zeit gehalten. Im Manuskript Nr. 2180 (fol. 154 a–234 a) des Maschtoz Matenadarans in Jerewan wurde ein Text mit der Beschreibung des Astrolabs und dessen Benutzungsregeln, verfasst von Matthäus von Vanand, entdeckt.15 Lukas war eine der gebildeten und von fortschrittlichen Ansichten geprägten armenischen Persönlichkeiten seiner Zeit. Thomas von Vanand bezeichnet seinen Neffen als »Philosophen Lukas, der in verschiedenen Sprachen geübt ist«.16 Tatsächlich hat Lukas von Vanand einen herausragenden Platz in der Geschichte der armenischen Philosophie. Er setzte die mittelalterlichen philosophischen Traditionen fort, brachte aber auch neue Anschauungen über die Rechte des Individuums, das öffentliche Leben sowie über einige Fragen der Ethik, der Naturphilosophie, der Ästhetik und der Logik ein.17 Es ist bezeichnend, dass Lukas von Vanand mit dem Philosophen, Mathematiker und Physiker Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716) in Korrespondenz stand und ihn persönlich traf.18 Den bekannten deutschen Orientalisten Johann Joachim Schröder (1680– 9 Das Collegium Urbanum in Rom wurde am 1. August 1627 von Papst Urban VIII. (1623–1644) auf der Grundlage der päpstlichen Bulle Immortalis Dei Filius gegründet. 10 Oskian (Hrsg.), Step‘anosi R˙ ōšk‘ay Žamanakagrut‘iwn kam Tarekank‘ ekełec‘akank‘, S. 189 f. 11 Hier verweist Lēō auf das Wort, das Lukas für sich verwendet »snund« (vgl. Anm. 7). 12 Lēō, Haykakan tpagrut‘iwn, Bd. 1, S. 420 f. 13 Vanandec‘i, Patkerasēr patkerateac‘, S. 1; ders., Oskeay dur˙n dpratan, S. 70. 14 Krikorian, Nor niwt‘er, S. 31. 15 Hierzu detailliert T‘umanyan, Haykakan norahayt; ders., Hay astłagitut‘yan patmut‘yun, S. 145–166; Brieux, Allain (†)/Maddison (†) u. a., Répertoire. 16 Vanandec‘i (Hrsg.), Azgabanut‘iwn tohmin Yabet‘ean, S. 487. 17 Über die philosophischen Anschauungen des Lukas von Vanand detailliert Mirzoyan, XVII dari hay p‘ilisop‘ayakan; ders., Hay mšakuyt‘ə, S. 118–121. 18 T‘umanyan, Haykakan norahayt, S. 4; Mirzoyan, XVII dari hay p‘ilisop‘ayakan, S. 17 f.
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