Leseprobe

Lukas von Vanand und die armenische Druckerei der Vanandec‘is in Amsterdam 217 q lich Michaels Sohn war. Trotz der Schwierigkeiten gab Lukas neun Bücher heraus, unter anderem ein Hymnarium (Šaraknoc‘),34 ein Psalterium, ein Stundenbuch (Žamagirk‘),35 ein Kalendarium der Kirchenfeste (Parzatōmar), eine kurze Auslegung des Alten Testaments und das Werk Patkerasēr patkerateac‘ (wörtl. Bildliebend Bildhassend).36 Lukas von Vanand vermochte es nicht, das wirtschaftliche Fundament der Druckerei zu erhalten. Deshalb musste er die Arbeiten beenden und den Gläubigern die gesamte Druckereiausstattung übergeben.37 Nach dreißigjähriger Tätigkeit wurde 1717 die Druckerei der Vanandec‘is geschlossen.38 Damit endete die Existenz dieses Amsterdamer Zentrums der armenischen Kultur.39 Zugleich wurde hierdurch die eigenständige armenische Drucktätigkeit in europäischen Ländern um mehr als ein halbes Jahrhundert unterbrochen, bis die Druckereien der Mechitharisten40 in Triest (1776) und auf San Lazzaro in Venedig (1789) eröffnet wurden. Für die Druckerei auf San Lazzaro kaufte Mechitar von Sebasteia (Mxit‘ar Sebastac‘i) die ehemals den Vanandec‘is gehörenden Lettern durch einen Kaufmann namens Harut‘yun wieder zurück.41 Umstritten ist die Frage, ob die Vanandec‘is und insbesondere Lukas von Vanand sich politisch engagierten oder nicht. Am 28. Juni 1965 schrieb der niederländische Gelehrte Silvio van Rooy einen Brief an den Protoarchimandriten Mesrob Krikorian,42 in dem er fragte, ob es eine Verbin34 Ein Scharaknoz (Šarakan = Hymnus) ist das liturgische Buch gottesdienstlicher Gesänge im Armenischen Ritus (im griechischen Ritus: Tropologion), die bis ins Mittelalter und zum Teil in die patristische Zeit zurückgeführt werden können. Die handschriftliche Überlieferung setzte im 12. Jahrhundert ein. Der Erstdruck erschien 1664 in Amsterdam; Arevsatyan, La typologie du genre des sarakan; Ter-Mikaelian, Das armenische Hymnarium. 35 Das Žamagirk‘ (griech. Horologion) ist das liturgische Buch für die Stundengebete im Armenischen Ritus. Die heutigen Druckausgaben gehen auf eine Ausgabe von 1642 aus Neu-Julfa zurück; Taft, The Liturgy of the Hours, S. 219–224. 36 1711 erschien in Amsterdam ohne Angabe des Druckhauses die »Kurze Grammatik und Logik« (Hamar˙ōt K‘erakanut‘iwn ew Tramabanut‘iwn) des Johannes von Julfa (Yovhannēs J̌ułayec‘i oder Mrk‘uz). Als Druckhaus wurde entweder die Druckerei der Vanandec‘is (G. Zarbhanalean) oder eine andere Amsterdamer Druckerei, die die Lettern der Vanandec‘is verwendete (A. Saruxan), vorgeschlagen (Oskanyan/Korkotyan/Savalyan, Hay girk‘ə, S. 190). 37 Lēō, Haykakan tpagrut‘iwn, S. 446; Saruxan, Hollandan, S. 123–126; Levonyan, Hay girk‘ə, S. 125. 38 Vgl. Bekius, Polyglot Amsterdam Printing Presses. 39 In Amsterdam wurden allerdings nicht nur Bücher gedruckt, sondern auch Handschriften abgeschrieben. Auch die Untersuchung dieser Handschriften könnte zur Vertiefung der Forschung der in Amsterdam gedruckten Bücher sowie zur Erforschung und Klärung des Alltages und der Geschehnisse in der armenischen Gemeinde im Amsterdam des 17./18. Jahrhunderts beitragen. Vgl. M 2034 (Sammlung der logischen Werke, Datierung: 1690–1700, fol. 58 b, Kolophon), M 2912 (Briefe der Katholikoi Yakovbos Šamaxec‘i und Simēon I. Yerewanc‘i, Datierung: 1762–1780, fol. 150 a, Kolophon), M 82 (Sammelwerk, Datierung: 1756–1762, fol. 167 b), M 2803 (Briefe des Łukas Karnec‘i, Datierung: 1781– 1786, fol. 39 a–40 a). 40 Die 1712 von Papst Clemens XI. (1649–1721, reg. ab 1700) bestätigte, armenisch-katholische Kongregation der Mechitharisten (armen. Մխիթարեան; ital. Congregazione Armena Mechitarista; Ordenskürzel: CAM, in Österreich: CMV) feiert den Gottesdienst nach armenischem Ritus, allerdings mit Anpassungen an katholisches Brauchtum. Im Gefolge des Achten Venezianischen Türkenkrieges (1714–1718) ließ sich die Kongregation in Venedig nieder, wo ab 1717 auf San Lazzaro ein Kloster gebaut wurde; 1773 siedelte ein Ordenszweig nach Triest und von dort nach Wien über; 1811 wurde auch in Wien eine Druckerei der Mechitharistenkongregation eingerichtet; Hennemann, Das Kloster; Denscher, Brücke. 41 Išxanyan, Tpagrut‘yun, S. 618; Zarbhanalean, Patmut‘iwn haykakan, S. 159 f.; Saruxan, Belgia ew hayerə, S. 126 f. 42 Zu dieser Zeit Geistlicher der Armenisch-apostolischen Kirchengemeinde in Wien, Mitarbeiter der Stiftung »Pro Oriente«, später der Gesandte für Mitteleuropa und Schweden des Katholikats der Armenisch-Apostolischen Kirche, Professor an der Universität Wien, Institut für Byzantinistik und Neogräzistik.

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