Lukas von Vanand und Kostand von Julfa 235 q fernung der europäischen Städte voneinander. Auch die Informationen über unterschiedliche arithmetische Operationen sind eine Besonderheit des Werkes des Vanandecʻi. Die Informationen über die geographische Lage der europäischen Städte und ihre Entfernung voneinander könnte er den in Europa weit verbreiteten geographischen Büchern entnommen haben, und die Passagen über die »Regel de Tri« und über die »Regel der Handelskompanie«, die den Abschnitten über rechnerische Operationen folgen, erinnern offensichtlich an die entsprechenden Passagen des armenischen mathematischen Lehrbuchs21 »Die Kunst des Rechnens«.22 Was die von ihm behandelten Fallbeispiele kaufmännischen Handelns betrifft, haben sie mit den von Kostand von Julfa angesprochenen Exempeln nichts zu tun. Dies unterstützt die Annahme, dass das Werk »Dṛnern ṛałamin« von Kostand von Julfa nicht im Fokus der Aufmerksamkeit des Lukas von Vanand stand. Weiterhin sind einige Unterschiede auch in den Beschreibungen der Handelsplätze in beiden Werken festzustellen. Ein bezeichnendes Beispiel mag hier genügen: In den Handschriften des Werkes »Ašxarhažołov« folgt den Wörtern »Der Pole und der Ungar sind Christen« ein leerer Zwischenraum,23 welcher vermutlich offen gelassen war, um später mit entsprechenden neuen Informationen gefüllt werden zu können. Aber Lukas von Vanand, der mit den europäischen Handelsplätzen bestens vertraut war, schließt diese Lücke, indem er über die Währungseinheiten des ungarischen Königreichs das Folgende schreibt: »In Ungarn entspricht 1 Marsilie 7 Schillingen und 7 Groschen. 1 Dukat [entspricht] 10 Schillingen. 1 Schilling [entspricht] 30 Groschen. 1 Florin [entspricht] 20 Schillingen. 1 Schilling [entspricht] 12 Hellern. Es gibt auch einen anderen Florin, der einen Wert von 100 Groschen hat. 1 Groschen [entspricht] 2 Hellern.«24 Obwohl es auch andere Divergenzen in den Beschreibungen der Handelsplätze gibt, hat Lukas von Vanand bei der Vorstellung insbesondere derartiger kaufmännischer Kenntnisse vom »Ašxarhažołov« umfangreich Gebrauch gemacht.25 Dies wird nicht zuletzt dadurch belegt, dass Lukas von Vanand die Handelsplätze in der von Kostand von Julfa vorgegebenen Reihenfolge von Osten nach Westen vorstellt, obwohl er in den restlichen Teilen des Werkes »Ein Schatz der Maße« seine Darstellung immer mit den europäischen Städten beginnt. Um unsere Bewertungen der beiden Werke noch aussagekräftiger zu machen und um einen textuellen Vergleich zwischen den beiden Originalen zu veranschaulichen, werden beispielhaft ihrer beider Informationen über Venedig näher betrachtet. Die in der linken Spalte vorgestellte Passage ist ein ganzer Abschnitt im Werk des Kostand von Julfa, und die in der rechten Spalte zitierten Passagen sind verschiedenen Teilen des Handbuches von Lukas von Vanand entnommen und den entsprechenden Abschnitten von »Ašxarhažołov« gegenüber gestellt. 21 Dieses armenische mathematische Lehrbuch, welches zugleich das erste gedruckte Buch auf Ašxarhabar-Armenisch war, wurde für eine lange Zeit für die armenische Übersetzung des Werkes des deutschen Mathematikers Christoph Clavius (1538–1612) gehalten, wobei Hakob Anasyan zum ersten Mal darauf aufmerksam gemacht hat, dass die Spuren dieses Werkes nach Neu-Julfa führen und dass Kostand von Julfa als dessen Verfasser anzusehen sei (Anasean, Hayerēn tʻowabanakan, S. 671–674; ders., Haykakan matenagitutʻyun, S. 874–877). Diesbezüglich siehe auch Pʻašayan, »Arhest hamarołutʻean«. 22 Arhest hamarołutʻean, S. 106–121. Vgl. Aghassian/Kévonian, Le commerce arménien, S. 172. 23 Neu Dschulfa, Handschrift Nr. 64, Blatt 30 a. 24 Vanandecʻi, Ganj čʻapʻoy, S. 23. 25 Für die französische Übersetzung der fast ähnlichen Informationen von Kostand von Julfa und Lukas von Vanand über den Handel in Indien siehe Aghassian/Kévonian, Le commerce arménien, S. 172 f.
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