Das armenische Kaufmannshandbuch des Łukas Vanandec‘i (Lukas von Vanand) von 1699 9 q Im Jahre 1699 veröffentlichte die Amsterdamer Druckerei der Familie Vanandec‘i ein von einem ihrer Mitglieder, von Ghukas Vanandec‘i (Łukas Vanandec‘i) oder Lukas von Vanand, unter dem Titel Ein Schatz des Maßes, des Gewichts, der Zahl und der Währungseinheiten der ganzen Welt, welcher die Kenntnis von aller Art von Gewichts-, Maß- und Währungseinheiten ist, womit der Handel der ganzen Welt geführt wird, zusammengestelltes Kaufmannshandbuch.1 Dieses Buch, das auf ein älteres Manual des Constant von Julfa aus den 1680er Jahren zurückgeht und »auf den Erfahrungen der Armenier im damaligen Welthandel [beruht]«,2 bietet einen einzigartigen Ein- und Überblick in die Handelswelt der armenischen, genauer: der Neu-Julfaner Kaufleute in der Zeit um die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert. Deren über weite Teile Asiens und Europas gespanntes, in der Isfahaner Vorstadt Neu-Julfa zentriertes Handelsnetzwerk ist seit mehreren Jahrzehnten Gegenstand umfangreicher Forschungen, unter denen die Monographien von Edmund Herzig, Vahan Baibourtian, Ina Baghdiantz-MacCabe und Sebouh David Aslanian zusammen mit der Studie von Rudolph P. Matthee über die Handelspolitik des persischen Safawiden-Reiches am breitesten angelegt und damit in der jüngeren Forschung maßgeblich sind.3 Die einzelnen Knotenpunkte dieses Handelsnetzwerkes bildeten im 17. und in den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts eine Art frühneuzeitlicher ›Seidenstraße‹ zwischen Westeuropa und Ostasien – und dies im wahrsten Sinne des Wortes, war doch persische Rohseide das Haupthandelsprodukt der Neu-Julfaner Familien-Handelsgesellschaften. Diese armenische Seidenstraße ließ das Safawiden-Reich für diese knapp eineinhalb Jahrhunderte Teil einer frühmodernen »Weltwirtschaft«4 (auch wenn dieser Begriff hier freilich anachronistisch gebraucht ist) bzw. eines frühneuzeitlichen »Welthandelssystems« sein: »Iranian silk ... remained a fundamental luxury Asian product that affected the trading relations between Asia and Europe as a whole: key players in this trade were the Armenians and the city of New Julfa, created by the Safavids during the seventeenth century, with the express purpose of facilitating the increase of silk exports from Iran to expanding European markets.«5 Auf dieses Handelsnetzwerk wirft das Kaufmannshandbuch des Lukas von Vanand ein besonderes Licht: Wie in einem Brennglas erscheint der Neu-Julfaer Fernhandel fokussiert, wobei mehrfach eine speziell Amsterdamer Perspektive deutlich, d. h. das Gesamtsystem des armenischen internationalen Handels aus seiner westlichen ›Peripherie‹ – gleichwohl aus dem ›Welthandelszentrum‹ der Zeit – beleuchtet wird. Diese Besonderheit und nicht zuletzt die Tatsache, dass bislang keine vergleichbare Edition eines armenischen Kaufmannshandbuches vorliegt, machen die Kompilation von Lukas von Vanand zu einer einzigartigen Quelle, die wie kaum ein anderes Dokument Einblick in die Details des Neu-Julfaer Fernhandels in der – wie noch darzulegen sein wird – Zeit seines Höhepunktes gibt. 1 Als erste größere Vorstudie hierzu siehe Kévonian, Marchands arméniens. Baghdiantz-MacCabe, The Shah’s Silk, nimmt an einzelnen Stellen (S. 218, 279 f.) ebenfalls Bezug auf dieses Kaufmannshandbuch. 2 Sartor, Die Wolga, S. 64. 3 Herzig, Armenian Merchants; Baibourtian, International Trade; Baghdiantz-MacCabe, The Shah’s Silk; Aslanian, Indian Ocean; Matthee, Safavid Iran. Vgl. hierzu zusammenfassend Harris, Going the Distance, S. 209–218. 4 So ders., Safavid Economy. – Oder in einer anderen Diktion, aber mit ähnlicher Intention: Foran, The Making of an External Arena. 5 Vgl. dazu beispielsweise Ciriacono, The Early Modern »Silk Road«, S. 125. Vgl. Sen/Smith, Trans-Eurasian Routes.
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