Leseprobe

43 Der Frühe Film 1895–1918 DER STUDENT VON PRAG 1913 | Regie: Stellan Rye Der erste Autor:innenfilm des deutschen Kinos beruht auf dem Drehbuch von Hanns Heinz Ewers, inszeniert wurde er von Stellan Rye. Der bekannte Schauspieler Paul Wegener war eine der Attraktionen des Films – dieser überzeugte jedoch vor allem durch seine Erzählweise. Der Student Balduin verkauft sein Spiegelbild, das fortan selbstständig agiert und sich für Balduin zu einem Widersacher entwickelt. Die Trickaufnahmen von Guido Seeber setzten die romantische Story brillant und überzeugend um. | RR [...] Die Fabel dieses frühen deutschen Stummfilms erinnert an Novellen der deutschen Romantik, an Chamissos »Schlemihl«, auch an die »Faust«-Sage. War dort indessen der Grund der Seelenverschreibung der Wunsch nach Erkenntnis, wird dort der Held durch gute, weltbewegende Kräfte schließlich gerettet, will sich Balduin lediglich mit Geld in die »Gesellschaft« einkaufen, eine Geschichte, die durch die Schlußmoral, Balduins Verdammung nicht veredelt wird. Aber nicht die unbedeutende literarische Vorlage des Hanns Heinz Ewers, der mit Gruselgeschichten begann (Alraune, 1907, mehrfach verfilmt) und bei den Nazis endete, bestimmte das Niveau dieses Films, sondern die hohe Qualität der bildkräftigen Umsetzung und Gestaltung durch ein schöpferisches Kollektiv. Der Film entstand auf Anregung Wegeners, des berühmten Schauspielers an Reinhardts Deutschem Theater, der die filmische Grundidee der Doppelrolle in doppelbelichteten Scherzfotos fand. Er erkannte als einer der ersten, daß der »eigentliche Dichter des Films« die Kamera sein muß, hier geführt von dem ersten bedeutenden Operateur Guido Seeber, und wurde so ein Pionier des künstlerischen Films in Deutschland. Wegener, Rye, Seeber und [Rochus] Gliese schufen mit Der Student von Prag einen der ersten deutschen Filme, der seine Rangerhöhung zur Kunst in seinen eigenen, eben filmischen Mitteln suchte und fand und nicht, nach dem Beispiel des französischen Film d’art, in der hochtrabenden Adaption literarischer Vorlagen. Dabei waren insbesondere die expressive Dekor- und Bildgestaltung sowie die Lichtführung (z.T. schon Kunstlicht) von Bedeutung. Sein phantastisches Thema und seine überhöhenden Stilmittel signalisierten bereits Merkmale des deutschen Filmexpressionismus. [...] Rudolf Freund, »Der Student von Prag. Ein romantisches Drama«, in: Günther Dahlke/Günter Karl (Hrsg.), Deutsche Spielfilme von den Anfängen bis 1933, Berlin 1988, S. 18 f.

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