Leseprobe

Expressionistische Filmkunst 1919–1924 66 DIE SOMME. DAS GRAB DER MILLIONEN [1916] 1930 | Regie: Heinz Paul Mit einer Kombination von Archivbildern, inszenierten Szenen und Trickaufnahmen zur Darstellung des Kriegsgeschehens schuf Heinz Paul seinen Film über die Somme-Schlacht 1916, einer der verlustreichsten Kämpfe des Ersten Weltkriegs. Indem er auf Material aus deutschen, englischen und französischen Archiven zurückgriff, konnte er die Materialschlacht von beiden Seiten aus darstellen. Der Kompilationsfilm galt Zeitgenoss:innen ungeachtet der Inszenierungen als authentisch. Die nervliche Zerrüttung, die der Krieg vielfach mit sich brachte, war eine Triebfeder der expressionistischen Filmkunst sowie zugleich eines ihrer Sujets. | RR EIN FILM DER ZEITGESCHICHTE IM UFA-PALAST: DIE SOMME »Das Grab der Millionen« heißt der Film »Die Somme« im Untertitel. Mit grauenvoller Realistik wird uns das monatelange Ringen an dem kleinen französischen Flüßchen gezeigt. Wer entsinnt sich nicht noch der Kriegsberichte, als wieder und immer wieder der Name Somme auftauchte. Grauenvolle Erinnerungen tauchen in Millionen von Familien auf, deren Brüder, Väter und Angehörige hier in dem Völkerringen verbluteten. Es muß ein entsetzliches Gefühl für die, deren Lieben an der Somme gefallen sind, sein, wenn sie diesen Film sehen. Er will kein Heldenepos sein, er ist auch kein Heldenepos. Der Film schildert nur Tatsachen, deren Wirkung vielleicht noch eindringlicher gewesen wäre, wenn man auf die wenigen eingestreuten Spielszenen verzichtet hätte. Der Film selbst ist ein ganz großer Wurf. Zum Teil liegen ihm Originalaufnahmen zugrunde, die uns unbestechlicher, objektiver das, was sich im Kriege abspielt, schildern, als es durch nachträgliche Darstellung möglich ist. Wie bei allen Kriegsfilmen, ist auch hier die Wirkung zuerst am stärksten, weil später die Bildeindrücke sich wiederholen. Trotzdem verfolgen wir gebannt jede einzelne Szene des Filmes, weil die Somme-Schlacht noch unser eigenes Erleben ist und wir das zu sehen bekommen, was uns so lange verborgen blieb. Neben die ausführlichen Darstellungen von Roman- und Kriegsschriftstellern tritt nunmehr in immer steigendem Maße die Bildschilderung. Der Eindruck der Schlachten, des ungeheuren Völkererringens, der entsetzlichen Tragödien, die sich im einzelnen abspielen, und des Massenschicksals ist gewaltig. Besonders erschütternd der Sturm deutscher Truppen auf englische Schützengräben, der im Drahtverhau endet. Von deutschen Darstellern werden Hermine Sterler, Oskar Marion, Hans Tost und Walter Edthofer genannt. Wie weit der für die Regie und Bearbeitung genannte Heinz Paul tätig war, läßt sich nicht beurteilen. Sollte er entscheidend mitgewirkt haben, so wäre seine Leistung hoch anzuerkennen. Hunderttausende, die diesen Film sehen, werden tief erschüttert das Theater verlassen. Dr. F. Kaul Der Film, Nr. 18 3. Mai 1930

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