Leseprobe

271 Deutscher Film in Ost und West 1962–1989 DER GETEILTE HIMMEL 1964 | Regie: Konrad Wolf Nach einer Erzählung von Christa Wolf verfilmte Konrad Wolf die Liebesgeschichte eines Paars aus der DDR, die kurz vor dem Mauerbau im August 1961 beginnt. Der Mann setzt sich nach West-Berlin ab, aber die ihn dort besuchende Freundin kann sich nicht vorstellen, im Westen zu leben. Der stilistisch anspruchsvolle Film hat mehrere Erzählebenen und fokussiert die unterschiedliche Entwicklung der beiden jungen Leute vor dem Hintergrund ihrer Trennung durch die deutsche Teilung. | PM DIE MITTELDEUTSCHEN MANFREDS DER WOLF-FILM DER DEFA: »DER GETEILTE HIMMEL« In den bundesdeutschen Filmclubtheatern wird jetzt der Film des mitteldeutschen Nachwuchsregisseurs Konrad Wolf, Sohn des Schriftstellers Friedrich Wolf, nach Christa Wolfs Erfolgsroman »Der geteilte Himmel« gezeigt, er lief soeben in Frankfurt an. [...] Der Roman [...] erzählt mit westlichen Stilmitteln, im inneren Monolog und mit zahlreichen Rückblenden die Geschichte der zwanzigjährigen, mit Nervenschock in einem Sanatorium liegenden Heldin Rita, ihre Liebe zu dem acht Jahre älteren Manfred, einem jungen Doktor der Chemie, der skeptisch und ironisch der Umwandlung in seinem Staat gegenübersteht, und, als man ihn beruflich disqualifiziert, in den Westen geht (die Geschichte spielt vor dem 13. August). Rita, obwohl sie tief und zum ersten Male liebt, folgt Manfred nicht; sie besucht ihn zwar, aber sie kehrt in den Osten zurück: »Man ist schlimmer als im Ausland, weil man seine eigene Sprache hört. Man ist auf schreckliche Weise in der Fremde«, sagt sie später über ihren Besuch in West-Berlin. Konrad Wolf (in der Bundesrepublik besonders durch seinen Film »Sterne« bekannt) hat sich im Film genau an die Romandialoge gehalten, im übrigen arbeitet er technisch mit raschen, harten Schnitten, die zeitlich und räumlich Auseinanderliegendes ineinander verschachteln. Die Kamera läßt er durch Werner Bergmann so artistisch handhaben, es wird von oben, von unten, durch Glasscheiben fotografiert, überblendet, über- und unterbelichtet, daß man meinen könnte, Wolf sei nicht in Moskau, sondern bei der Nouvelle Vague in Paris zur Filmschule gegangen. [...] Das junge Paar: Renate Blume und Eberhard Esche ist sympathisch: sie, das slawische Mädchen mit den dunklen Traumaugen, der man freilich die Liebende mehr glaubt als die gläubige Kommunistin, die sie doch in aller Schicksalsergebenheit zu sein hat, er der eckige, ungeschickte Zweifler, der Unbehauste. Es gibt während der zweiten Hälfte des Films allzuviel Plansoll-Problematik, die hier unverständlich bleibt, immerhin aber gibt es den Typ des phrasendreschenden Funktionärs wie den des Intriganten, [mit] dem freilich die biederen guten alten Edelkommunisten konfrontiert werden. [...] »Drüben« ist der Film kritisiert worden, weil doch der Skepsis des Manfred kein richtiger Widerpart gegeben würde. Hier wiederum wurde von einem Vertreter der mittleren Generation die Realität des Schlusses stark angezweifelt, daß ein liebendes Mädchen wirklich sich für die Ideologie entscheiden sollte und nicht für ihre Liebe. »Es gibt drüben noch viele Manfreds«, sagte Regisseur Wolf, der sich sehr gelassen gab, »viele würden sicher gehen, manche würden aber auch bleiben. Wer will das genau wissen?« [...] Brigitte Jeremias Frankfurter Allgemeine Zeitung 30. Oktober 1964

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