293 Deutscher Film in Ost und West 1962–1989 DIE LEGENDE VON PAUL UND PAULA 1973 | Regie: Heiner Carow künstlerischen Entwicklung eine weitere Seite, wenn auch eine in vielem nicht überzeugende. Regisseur Heiner Carow versucht in vielen Szenen, heiter im Ausdruck, phantasievoll, beschwingt, reizvoll im Optischen (Kamera Jürgen Brauer) zu sein. Bemerkenswert ist die Gestalt der Paula in ihrer starken emotional berührenden Kraft. Angelica Domröse bringt mit Leidenschaft und feinfühliger Charakterisierungskunst eine liebenswerte und sympathische junge Frau auf die Leinwand. Konzeptionell nicht überzeugend ist die Gestalt des Paul. Auch das schauspielerische Talent von Winfried Glatzeder kann darüber nicht hinwegtäuschen, daß diese künstlerische Figur wenig innere Logik besitzt. Sie ist blaß in ihrem menschlichen Profil und auch dramaturgisch nicht ohne Brüche. Das verweist auch auf andere schwache Momente dieses Films. Die Wurzeln dafür liegen, wie mir scheint, schon im Szenarium, in einigen ästhetisch ungenauen sozialen Konturen, in konstruierten Konflikten. Der Film enthält beeindruckende Szenen, die etwas vom inneren Reichtum dieser Paula ahnen lassen, aber im Vordergrund stehen biologische Interessen. Das Künstlerische der Hauptgestalten des Films, vor allem des Paul, ihre geistige Schönheit im ästhetischen Sinn ist qualitativ unterentwickelt. [. . .] Diskutabel sind auch bestimmte formale und stilistische Aspekte, die auf vordergründige Wirkung zielen und schließlich auch der Tod der Paula. In einer Beratung im Präsidium des Verbandes der Film- und Fernsehschaffenden wurde kürzlich formuliert, der Tod im Kunstwerk brauche große Gründe und müsse schon, wenn er bemüht werde, von gesellschaftlichem Belang sein. Das ist zweifellos nachdenkenswert. [. . .] Horst Knietzsch Neues Deutschland 31. März 1973 Die Legende von Paul und Paula ist eine der erfolgreichsten Produktionen der DEFA um die Liebe des verheirateten Akademikers Paul, gespielt von Winfried Glatzeder, zu der alleinerziehenden Kassiererin Paula, verkörpert von Angelica Domröse. Auch 50 Jahre nach seiner Premiere transportiert der nach dem Drehbuch von Ulrich Plenzdorf entstandene und mit der Musik der Band Puhdys untermalte Film, wie das Lebensgefühl der 1970er-Jahre auch die DDR eroberte. Die Legende von Paul und Paula hat heute Kultstatus und ist der Lieblingsfilm der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel. | PM Erzählt wird eine Liebesgeschichte aus dem Alltag, die Geschichte einer jungen Frau. Das Leben ist mit ihr nicht sanft umgesprungen. Sie hat zwei Kinder und keinen Vater dafür, beide Male ist sie an Männer geraten, die ihrer Liebe nicht wert waren. Das hat sie nicht aus der Bahn geworfen, denn sie ist stark und kraftvoll und strebt nach einem sinnvollen glücklichen Leben. Mit ihren Mitteln kämpft sie um den Mann, den sie mag. Sie liebt Kinder, und die Liebe in ihrem Leben beschert ihr immer auch welche, obwohl die Ärzte wiederholt erklärt haben, daß eine nächste Geburt für sie gefährlich sein kann. Paula stirbt bei der Geburt des dritten Kindes. [...] Die DEFA hat sich in den letzten Jahren um den Gegenwartsfilm bemüht. Werke, in denen nur Partikelchen der Wirklichkeit aufgegriffen wurden, haben im Bewußtsein des Zuschauers den Tag nicht überdauert, andere besaßen die künstlerische Kraft, tieferwirkende Erlebnisse auszulösen. Das hängt mit dem Grad künstlerischer Reife zusammen, mit dem an die Erkundung von Lebenswahrheiten herangegangen wird, mit dem neue Stoffe und Tatsachen entdeckt und künstlerisch gestaltet werden. Für den Szenaristen Ulrich Plenzdorf [...] ist »Die Legende von Paul und Paula« in seiner
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