Leseprobe

131 In dieser schwierigen Zeit erhält Willi Baumeister durch Vermittlung seines langjährigen Freundes, des Stuttgarter Architekten Heinz Rasch (Abb. 1), einige Aufträge für die Lackfabrik Dr. Kurt Herberts in Wuppertal. Im März 1936 hatte Heinz Rasch Willi Baumeister um einige Zeichnungen und Grafiken für die Sammlung des Vaters von Kurt Herberts gebeten. Im Mai desselben Jahres entstand die Idee, an der Außenwand eines Neubaus der Firma, dem sogenannten Bürogarten, ein Mauerbild von Willi Baumeister anzubringen. Baumeister entwarf daraufhin 1937/38 ein Sgraffito für diese Mauer, das Chemiker, Farbenreiber und Lackarbeiter darstellen sollte. Das Fresko selbst wurde in vereinfachter Form 1938 von dem Wuppertaler Maler Ernst Oberhoff ausgeführt und im Krieg durch einen Bombenangriff zerstört.1 1939 entstand die folgenreiche Idee, für das Treppenhaus des neuen, von Heinz Rasch erbauten Laborgebäudes einen Wandtafelzyklus aus 18 Bildern anzufertigen, der 1939/40 in verschiedenen historischen Techniken ausgeführt wurde. Die Wandbilder sollten über vier Treppenläufe hinweg in die Wände eingelassen werden. Sie wurden in Stuttgart in der Malerabteilung der Kunstgewerbeschule am Killesberg unter Beteiligung des Werkstattleiters a. D. Adolf Reile2 und des Fachlehrers Kunert3 ausgeführt (Abb. 2).4 Baumeister berichtete darüber 1946 in einem Brief an seinen Kollegen Adolf Schneck: »Es wurde ein Wandbild-Ziklus [sic] von 18 Bildern mit 18 verschiedenen Techniken bearbeitet, wofür mir die KunstgewerbeSchule den Mitgebrauch ihrer Malerabteilung gewährte. Es wurde besonderen Wert auf die schwierigen, weniger gebräuchlichen, teils noch umstrittenen Techniken gelegt, samt dem Untergrundaufbau und dessen spezialisierten Stoffen. [...] Schulrat a. D. Reile wurde zur teilweisen Mitarbeit herangezogen, ebenso Fachlehrer Kunert. Die Werkstoffe wurden von mir beigebracht, der Schulbetrieb nicht gestört. [...] Die Resultate wurden in einer Buchveröffentlichung unter Mitarbeit des Maltechnikums Herberts in Wuppertal niedergelegt.«5 Dieser Wandbilderzyklus gliederte sich in drei Teile, nämlich I. Die Naturkräfte, II. Der Mensch als Gestalter und III. Aus der Welt des Sehens und der Farben.6 Drei farbige Entwurfsskizzen des Zyklus wurden 1941 in dem Buch Untersuchungen über die Anwendbarkeit in historischen Malverfahren reproduziert (Abb. 3, 4, 5). Mit Rücksicht auf die zunehmenden Bombardierungen Wuppertals durch die britische Luftwaffe wurde der Zyklus jedoch nicht mehr im Treppenhaus angebracht. Diese Entscheidung hat die Wandbilder letztlich gerettet, da das neue Laborgebäude 1943 durch einen Bombenangriff völlig zerstört wurde. Dabei ging auch die umfangreiche Lacksammlung von Dr. Kurt Herberts verloren mit den von Baumeister, Schlemmer und Krause gestalteten Lackkästchen, die heute nur noch durch Farbabbildungen erschließbar sind. Zwölf der 18 Wandtafeln haben sich erhalten. Sie befinden sich im Besitz der Universität Wuppertal und sind im Foyer des Hörsaalzentrums des Campus Freudenberg angebracht. / ← / Willi Baumeister, Wuppertal, um 1940 / 1 / Heinz Rasch, Wuppertal, um 1933

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