Leseprobe

Kunstgutsicherung und Kriegsbergung 203 Im Residenzschloss Dresden wurden 1938 stabsmäßig Luftschutzräume mit entsprechenden, später öfter aktualisierten Belegungs-, Lösch- und Alarmplänen eingerichtet (Abb. 2). Noch vor Kriegsausbruch 1939 begannen die Vorbereitungen zum »Vorsorglichen Schutz von Kulturgütern und Kunstwerken aus Museen, Sammlungen und Schlössern«. Alle Maßnahmen waren als geheim eingestuft. Die kulturhistorisch besonders wertvollen deutschen Städte, Gebäude und Kunstgüter sollten in drei Stufen erfasst und zunächst die Gruppe I, die »allerunersetzlichsten« Werke, vor Ort gesichert bzw. sicher ausgelagert werden. Bei Auslagerung galt das Gebot der dezentralen Unterbringung, um Verluste möglichst gering zu halten. Etwa 50 geheim gehaltene Orte in staatlichen und privaten Schlössern und Rittergütern wurden in Sachsen festgelegt (Abb. 5), ebenso genaueste Listenführung und Dokumentation des Kunstgutes. Diese Listen sind teils erhalten, sie waren und sind bis heute die wichtigste Grundlage für Nachverfolgung, Verlustfeststellung, Verhandlungen mit den Siegermächten und die Rückführung des Kunstgutes. Seit 1942 bombardierten alliierte Streitkräfte gezielt auch kulturhistorisch herausragende Altstädte, wie Lübeck und Köln. Aufgrund der neuen Gefährdungslage erhielten die Gauleiter den Auftrag zur bomben- und brandsicheren Unterbringung nun sämtlicher Kulturwerte ihrer Gaue, also ebenfalls der Gruppen II und III (Abb. 1). Auch für die Vorbereitung notfalls rascher Abtransporte zu den Depotorten war zu sorgen. In Dresden ließ das zuständige Ministerium für Volksbildung die Museen schließen und Regierungsamtmann Albert Gruve wurde den Museumsdirektionen der staatlichen Sammlungen zur Unterstützung unterstellt. Fortan veranlasste er in ihrem Auftrag alle Sicherungs- und Auslagerungsmaßnahmen und beaufsichtigte oft selbst die Transporte und die sachgemäße Einlagerung. Ab 1943 wurde im sogenannten »Führerauftrag« für die kulturhistorisch bedeutendsten Bauwerke Deutschlands das Anfertigen von Farbdias (Abb. 3) der wertvollsten Innenräume und ihrer Ausstattung angeordnet. Diese Farbdias erlangten große Bedeutung für den späteren Wiederaufbau und blieben oft einzige Dokumente von unwiederbringlich Zerstörtem. Teile der Dresdner Sammlungen, wie die Münzsammlung, wurden lange in den als sicher geltenden Kellern des KanzleihauKunstgutsicherung und Kriegsbergung1 1 | Anordnung vom 5. Mai 1942 zur Kunstgutsicherung an die Gauleiter. ses und den Gewölberäumen im Erdgeschoss des Residenzschlosses, sogar im Grünen Gewölbe untergebracht. Die Erfassung und schrittweise Auslagerung der Kunstgüter aus der Festetage zog sich jedoch bis Januar 1944 hin. Man hielt die Räume für Kulturveranstaltungen und NSDAP-Nutzungen, auch zu Propagandazwecken, offen.

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