Evelyn Krull 46 Ein Jugendstilsofa mit elegant geschwungener Rückenlehne und dunklem, floral besticktem Polsterbezug, ein etwas zur Seite gezogener Vorhang aus leichtem, geklöppeltem Stoff, der sich an das Sofa schmiegt, sowie daneben ein weißes, hölzern gerahmtes Fenster, auf dessen Fensterbrett ein üppiger Wiesenblumenstrauß platziert wurde. All diese Einrichtungsgegenstände dienen als Kulisse einer Fotografie von Evelyn Krull (Kat.28). Das Gezeigte weist die unterschiedlichsten Oberflächenstrukturen auf. Gesteigert wird diese Vielfalt durch das Hauptmotiv des Bildes: Eine nackte Frau, deren Körper wir im Profil sehen, liegt auf dem Sofa. Sie hat ein Bein angewinkelt aufgestellt, einen Arm ausgestreckt neben sich liegen, den anderen angewinkelt an ihren Kopf gelegt. Diesen hat sie so gedreht, dass ihre langen Haare über das Polster des Möbelstücks fließen. Durch das seitliche Streiflicht und den starken Hell-Dunkel-Kontrast treten die vielfältigen Strukturen der Gegenstände deutlich hervor und machen auch die weichen Strukturen des menschlichen Körpers sichtbar: Die Haut der Liegenden, die Knöchel und die Adern ihrer Hand, die feinen Härchen auf ihrem Arm, der Hüftknochen und ihr glänzendes Haar verleihen der bereits 1978 entstandenen Aktaufnahme eine spürbare Sinnlichkeit. Eine Sinnlichkeit, die sich zwar im Schaffen von Evelyn Krull immer wieder beobachten lässt, die sich jedoch gleichzeitig im Laufe ihrer Arbeit stark gewandelt hat. Diese in ihrem Ausdruck noch sehr konventionelle Aktaufnahme stellt eine der frühesten Fotografien dieser Art von ihr dar. Die hier gezeigte drapierte Normschönheit des weiblichen Körpers, die an die Lehne des Sofas gelegte Gardine und auch der Blumenstrauß auf dem Fensterbrett strahlen eine gewisse Passivität aus, was sich bereits in kurz danach entstandenen Aufnahmen deutlich ändern wird. Evelyn Krull Sinn und Körperlichkeit
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