Leseprobe

17  Georg Petel – Leben, Werke und künstlerisches Umfeld Georg Petel war nur ein kurzes Leben beschieden, als er im Frühjahr 16342 – vermutlich an den Folgen der Pest – mit Anfang 30 in Augsburg verstarb.3 Nach abgeschlossener Ausbildung blieben ihm wohl lediglich zwölf oder 13 fruchtbare Jahre, in denen er ein reiches und vielseitiges Œuvre von herausragender Qualität hervorbrachte, das sowohl klein- als auch großplastische Werke in unterschiedlichsten Materialien umfasst. Wissbegierig und mit einer außergewöhnlichen Begabung gesegnet, schien der Reisefreudige leicht Zugang zu den führenden zeitgenössischen Künstlern gefunden zu haben: Mehrmals besuchte er in Antwerpen den flämischen Malerfürsten Peter Paul Rubens (1577–1640), zu dem er eine besondere, geradezu freundschaftliche und für seine künstlerische Entwicklung essenzielle Beziehung gegenseitiger Wertschätzung pflegte. Vielleicht schon in Rom (1621–1622), spätestens aber in Genua (1622–1624) lernte Petel den fast gleichaltrigen Anthonis van Dyck (1599–1641) kennen, dem er erneut 1628 in Antwerpen begegnete, wo auch van Dycks berühmtes Porträt Petels entstand (Abb. 1),4 das die noble Erscheinung und den sensiblen Charakter des damals 26-Jährigen eindrücklich wiedergibt. In Rom gehörte der jugendliche Bildhauer François Duquesnoy (1597–1643) zu Petels vertrauten Künstlerkollegen, wie ein Doppelporträt der beiden wohl zeigt (Abb. 2).5 Ob er dort auch den drei Jahre älteren, aufstrebenden Barockbildhauer Gian Lorenzo Bernini (1598–1680) kennenlernte, ist nicht überliefert, jedoch kann vermutet werden, dass er dessen Jugendwerke studieren konnte.6 Künstlerischer Austausch und das Erleben ikonischer Werke – von den Antiken bis zu den aktuellsten Kunstströmungen – weiteten Petels Horizont und wirkten sich unmittelbar auf die Formensprache seines Œuvres aus. Doch wurde Petels Leben zugleich vom frühen Tod seiner Eltern und dem Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) überschattet. Leid und Elend, die die hungernde und von Seuchen und Pest geplagte Bevölkerung schon zu Beginn des Krieges durch marodierende Truppen getroffen hatten, müssen bei dem jungen und sensiblen Bildschnitzer prägende Eindrücke hinterlassen haben, denn der intensive Ausdruck von Schmerz und Leid ist in seinen zahlreichen, in Elfenbein ausgeführten Darstellungen des Gekreuzigten anders nicht zu erklären. – 2 – Adam de Coster, Zwei Bildhauer im Atelier (François Duquesnoy und Georg Petel), um 1622, Statens Museum for Kunst, Kopenhagen

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