Leseprobe

18 Hans-Ulrich Kessler Georg Petels Leben ist uns durch seinen für das Niederlassungsgesuch in Augsburg 1625 selbst verfassten Lebensbericht überliefert.7 Seine künstlerische Bedeutung ist in zwei zeitgenössischen Biografien gewürdigt – zum einen in der 1675 erschienenen Teutschen Academie des Malers Joachim von Sandrart,8 zum anderen von Raffaele Soprani (1612–1672), einem aus altem Genueser Adelsgeschlecht stammenden Künstlerbiografen, der bereits in seiner 1674 posthum erschienenen Lebensbeschreibung von Petels Aufenthalt in Genua berichtete,9 wobei einschränkend erwähnt werden muss, dass beide dem Bildschnitzer wohl niemals persönlich begegnet sind und ihre Schilderungen sich vornehmlich auf das Urteil der ihnen bekannten Werke beziehen. Wie die Forschung zeigt, sind diese Lebensbeschreibungen nicht immer präzise und teilweise lückenhaft. Anhand einer Auswahl seiner bedeutendsten Werke sollen Petels Itinerar und seine künstlerisch international prägenden Verbindungen nachgezeichnet werden, die die Entstehung und Entwicklung seiner Skulpturen maßgeblich beeinflusst haben. WEILHEIM – FAMILIE, KINDHEIT UND AUSBILDUNG BEI BARTHOLOMÄUS STEINLE Georg Petel wurde vermutlich zum Jahreswechsel 1601/02 in Weilheim geboren, einem zu jener Zeit etwa 2000-Seelen-Ort südwestlich des Starnberger Sees zwischen München und Garmisch-Partenkirchen, im Zentrum des sogenannten Pfaffenwinkels – eine durch die zahlreichen wohlhabenden Stifte und Klöster wie Benediktbeuern, Polling, Ettal oder Wessobrunn geprägte Bezeichnung des 18. Jahrhunderts. Unter dem Einfluss der Gegenreformation und dem tridentinischen Bilderdekret von 1563, das der Kunst eine besondere Rolle zur Verbreitung des katholischen Glaubens zuwies,10 entstand das Bedürfnis, diesen Erneuerungsgedanken durch prachtvolle Bauten und Ausstattungen Ausdruck zu verleihen – so auch in den um Weilheim liegenden Klöstern sowie in Augsburg und München. Die katholische Kirche als attraktiver Auftraggeber begünstigte den Zuzug zahlreicher Künstler und Handwerker und führte in Weilheim seit der Mitte des 16. Jahrhunderts zu einer künstlerischen Blüte der Stadt, die ihren Höhepunkt von etwa 1590 bis 1630 erlebte. Zu ihren wichtigsten Vertretern gehörten Hans Degler (1564–1635), Hans Krumper (um 1575–1634), Bartholomäus Steinle (um 1575–1628/29), Philipp Dirr (um 1582–1633) und Christoph Angermair (nach 1580–1633). Anfang der 80er Jahre des 16. Jahrhunderts ließ sich auch Clemens Betle (um 1560–1613), der Vater von Georg Petel, in Weilheim nieder. Als Kistler, also Tischler beziehungsweise Möbelschreiner, erwarb er 1586 das Bürgerrecht der Stadt und gründete eine Familie.11 Nach dem frühen Tod seiner ersten Frau heiratete er 1590 Maria Älbl, eine Tochter des Weilheimer Sporers und Waagmeisters Thoman Älbl. Georg Petel war ihr erster Sohn. Maria starb jedoch ebenfalls früh, sodass sein Vater ein drittes Mal heiratete. Als sein Vater 1613 verstarb, übernahm die Stiefmutter die Erziehung des gerade elfjährigen Georgs. Am 31. März 1617 ging die Vormundschaft auf den Bildhauer Steinle und seinen Onkel Caspar Schopp über, der

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