Leseprobe

44 Jens Ludwig Burk — Welchen Anteil hatte Petel an den Bronzebildwerken? — In welchem Verhältnis stehen die verschiedenen Kopien und Nachbildungen der Schächer nach Petel mit oder ohne Christus aus unterschiedlichen Materialien? — War die zu den Schächern gehörende Christusfigur Petels lebend oder tot am Kreuz dargestellt? — Welcher Moment des Passionsgeschehens sollte verbildlicht werden? PETELS ZWEI SCHÄCHER UND CHRISTUS AM CREUTZ: DIE QUELLENLAGE Die früheste schriftliche Nennung zweier Schächer und eines Christus im kleinen Format von Georg Petel liefert eine handschriftliche Biografie des Künstlers im sogenannten Codex von Halder der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg (Abb. 2).3 In die Aufzählung seiner prominenten Werke in den Augsburger Kirchen und die Mitteilung, dass auch im kurpfälzischen Kabinett »vortreffliche Sachen von ihm zu sehen« seien, flicht der Autor, der Augsburger Künstlerbiograf und Kupferstecher Georg Christoph Kilian (1709–1781) aufschlussreiche Informationen zur Rezeption von Werken Petels im ausgehenden 18. Jahrhundert ein.4 »[…] Zu S. Stephan macht er ein todten Christum wie er im Grab liegt ausnehment schön, in gleichen werden viele Arbeiten von ihm in Ybs ausgegossen zum Studiern gebraucht wie dann die 2 Schächer und Christus am Creutz ein schu hoch sehr estimirt werden […].«5 Die Erwähnung des Abgusses von Petels Gruppe in Gips ist der einzige schriftliche Nachweis zu seiner Autorschaft an Werken dieses Themas. Die Größenangabe der Gipsabgüsse – »schu« als Augsburger Längenmaß eines Stadtwerkschuhs entspricht 29,62 cm – lässt keinen Zweifel daran, dass es sich um Werke handelte, wie wir sie auch mit den vergoldeten bronzenen Schächern Petels des Berliner Bode-Museums vor uns haben. Leider erfahren wir von Kilian weder, aus welchem Material die originale Kreuzigungsgruppe gefertigt war noch wo diese Originale und die Abgüsse aufbewahrt waren. Seine erhaltenen und in Schriftquellen beschriebenen Werke führte Georg Petel in Holz, Elfenbein, Wachs oder Bronze sowie in innovativen Materialkombinationen aus.6 Bei der Münchner Geißelung Christi etwa schnitzte er die beiden Schergen, die Christus schlagen, auspeitschen und verhöhnen, aus Holz, den Christus selbst aber aus Elfenbein (Abb. S. 31). Sollte es sich bei den Werken Petels, deren Gipsabgüsse Kilian erwähnt, um Bronzen gehandelt haben, wie sie in den drei Figuren aus Berlin und München erhalten sind, wären sie der traditionellen Ausführungspraxis folgend von einem Metallgießer oder Goldschmied nach Modellen des Künstlers gegossen worden. Allerdings könnte es sich bei den Originalen auch um Kleinbildwerke aus anderem Material gehandelt haben. In der kunsthistorischen Literatur wurde bisher mitgeteilt,7 dass die von Kilian erwähnten Gipsabgüsse des Christus und der beiden Schächer zum Studium in der Augsburger Kunst-

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