103 Die Berliner Schächer und der Christus des Bayerischen Nationalmuseums Herstellungstechnik, kunsttechnologische Analyse und Interpretation Bronze entwickelt meist eine rötliche, Messing eine gelbliche, manchmal leicht grünlich wirkende Tönung. Das gilt sowohl für die aufgrund der Umgebungsbedingungen unwillkürlich ablaufenden Korrosionsprozesse als auch für die absichtlich durch Gießereiwerkstätten vorgenommenen Patinierungen. Im kunsthistorischen Zusammenhang sowie umgangssprachlich wird »Bronze« außerdem auch als Gattungsbezeichnung für Kunstwerke sowie kunsthandwerkliche Gegenstände verwendet, die aus einer Kupferlegierung gegossen worden sind.1 Auch hier sind alle Legierungen gemeint, unabhängig von ihrer Zusammensetzung. Bei der anschließenden Einführung in die Grundprinzipien des Kunstgusses mit dem Wachsausschmelzverfahren und der darauffolgenden kunsttechnologischen Analyse wird dieser vereinfachenden Begrifflichkeit gefolgt und von »Bronze« gesprochen. DAS VERLORENE WACHS Bis ins 19. Jahrhundert basierte die Herstellung fast aller aus Metall gegossenen Plastiken auf dem Wachsausschmelzverfahren. Voraussetzung dafür ist ein – der Form des gewünschten Gegenstands genau entsprechendes – Gussmodell aus Wachs. Es wird in einen feuerfesten Mantel aus mineralischen Stoffen (meist ein nicht genauer definiertes Lehm-Ziegelmehl- Gips-Gemisch) eingebettet. Der enthaltene Gips sorgt dafür, dass die zunächst flüssige Einbettmasse erstarrt. Durch das anschließende Erhitzen verflüssigt sich zunächst das Wachs und fließt heraus. Danach verbrennen verbliebene Wachsreste, die Form trocknet und sie verfestigt sich weiter. Zurück bleibt ein Hohlraum, der die Form des ursprünglichen Wachsmodells exakt wiedergibt und im Gussvorgang mit Bronze ausgegossen wird. Damit der flüssige Gusswerkstoff überhaupt in diese Negativform gelangen kann, ist ein Netz aus Zufluss- und Abluftkanälen notwendig – einerseits für das Metall, andererseits für die während des Eingießens verdrängte Luft und die entstehenden Gase. Um diese Kanäle zu erzeugen, werden dem Wachsmodell vor dem Einbetten entsprechend geformte Stäbe aus Wachs angefügt. Genauso wie das Gussmodell schmelzen die Wachsstäbe beim Erhitzen der Form und fließen aus. Die geschickte Anordnung der Kanäle stellt sicher, dass der Gusswerkstoff schnell und zuverlässig alle Bereiche der Form erreicht, bevor sie dabei zu stark abkühlt und erstarrt. Um das Einfüllen des flüssigen Metalls zu erleichtern, erweitert sich der Zuflusskanal nach oben konisch und wird so zum Eingusstrichter. Der eigentliche Gussvorgang birgt große Risiken: Wachsreste oder Wasser in der Einbettmasse verdampfen beim Kontakt mit dem Gusswerkstoff schlagartig und können so die Form mitsamt dem bereits eingeflossenen Metall zum Explodieren bringen. Schon kleine Spritzer der fast 1000 Grad Celsius heißen Bronzemasse bringen organische Materialien wie Holz zur sofortigen Entzündung. Die Münchner Geschichte des 19. Jahrhunderts bietet mit dem Max-Joseph-Denkmal ein berühmtes Beispiel eines aufgrund der undicht
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