107 Die Berliner Schächer und der Christus des Bayerischen Nationalmuseums Herstellungstechnik, kunsttechnologische Analyse und Interpretation der Vergoldung machen so nachvollziehbar, dass die Statuetten aus mehreren separat gegossenen Einzelteilen durch Löten zusammengefügt sind: Bei den Schächern verlaufen die Fügestellen an den Armen auf Schulterhöhe; die Beine sind unterhalb des Lendentuchs angesetzt. Auch der Kopf des guten Schächers ist separat gegossen und angefügt. Die Figur des Christus besteht aus vier Teilen: einem Hauptteil, bestehend aus Torso, Kopf und dem oberen Teil beider Beine, dem unteren Teil der Beine mit den beiden in einem Stück gegossenen Füßen sowie den zwei Armen. Die im Rahmen des Forschungsprojekts durchgeführte Computertomografie zeigt jedoch, dass die Figur ursprünglich wohl nur aus drei Teilen bestehen sollte. Im linken Bein Christi wird der Guss unterhalb des Knies zunehmend porös, sodass davon auszugehen ist, dass der Guss im unteren Bereich der Beine so schadhaft war, dass die Gussfehler nicht mehr auszubessern waren (Abb. 4). Die Partie musste neu gegossen und angesetzt werden. Hier offenbart sich ein Vorteil des indirekten Gussverfahrens: Im Gegensatz zum direkten Verfahren kann der Prozess im Prinzip beliebig oft ohne Qualitätseinbußen wiederholt werden. Computertomografie Seit langem werden Röntgenaufnahmen zur zerstörungsfreien Untersuchung von Bronzeplastiken eingesetzt. Die dabei vorgenommene Projektion eines Volumens auf eine Fläche hat zur Folge, dass die entstandenen Aufnahmen häufig schwer zu interpretieren sind. Die Computertomografie setzt nun eine große Anzahl zweidimensionaler Röntgenbilder zu einem 3-D-Modell eines Objekts zusammen. Vielen bekannt aus der Medizintechnik, erlaubt sie Ansichten von beliebigen Schnitten durch eine Statuette oder virtuelle Ansichten von deren innerer Oberfläche. Ein Scan liefert sehr schnell Informationen über die Herstellungstechnik. Zur Untersuchung der Kreuzigungsgruppe wurde ein industrielles Computertomografie- System zur Qualitätskontrolle der Firma ZEISS eingesetzt.5 Im Gegensatz zu den Geräten in der Humanmedizin bewegen sich nicht die Röntgenquelle und der Sensor um den Untersuchungsgegenstand, sondern das Objekt dreht sich auf dem von einem Schrittmotor angetriebenen Drehteller (Abb. 3). – 3 – Untersuchungsanordnung der Computertomografie des reuigen Schächers, Röntgensensor rechts
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